Der Gothaer Kunstraub 1979
Der Kunstraub von 1979 aus dem Schloss Friedenstein in Gotha bleibt eines der spektakulärsten und rätselhaftesten Ereignisse in der Museumsgeschichte der DDR.
In der Nacht vom 13. auf den 14. Dezember 1979 stieg ein Einbrecher an einem Blitzableiter hoch, zertrümmerte eine Fensterscheibe im zweiten Stockwerk von Schloss Friedenstein und entwendete fünf bedeutende Altmeistergemälde.
Corpora Delicti waren die Heilige Katharina von Hans Holbein d. Ä. (1456-1524/34), eine Landstraße mit Bauernwagen aus der Werkstatt Jan Brueghels d. Ä. (1568-1625), das Bildnis eines jungen Mannes von Frans Hals (1580/85-1666), ein Selbstbildnis mit Sonnenblume aus dem Umkreis Anthonis van Dycks (1598/99-1641) und die Tronie eines alten Mannes aus der Werkstatt Rembrandt Harmensz. Van Rijns (1606-1669). Der Täter seilte die Gemälde mit einer Schnur aus dem Fenster ab und beschädigte einige von ihnen. Diese Glanzstücke der Sammlung, die bereits 1946 den Abtransport in die UdSSR und die Rückkehr 1958 überstanden hatten, waren nun ein zweites Mal, diesmal für Jahrzehnte, aus dem Museum verschwunden.
Das Bild zeigt einen bärtigen, nachdenklichen alten Mann und gehört zur Gattung der „Tronie“. Bei dieser Bildgattung steht der emotionale Ausdruck im Vordergrund und es handelt sich häufig nicht um die Darstellung bestimmter Personen, sondern um die Darstellung von Stereotypen. Es gibt Hinweise darauf, dass das Werk von Rembrandt oder in seiner Werkstatt entstanden sein könnte. Das Gemälde, das nachweislich 1799 von Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg (1745-1804) erworben wurde, befand sich in der Herzoglichen Gemäldegalerie in Gotha und gelangte 1946 durch sowjetische Truppen nach Moskau. 1958 kehrte es im Rahmen einer großen Restitutionsaktion nach Gotha zurück, verschwand aber 1979 im Zuge des spektakulären Raubes für vier Jahrzehnte. Nach der Rückgabe und Restaurierung erhielt das Werk einen historischen Rahmen und ist seit 2020 wieder in Gotha zu sehen.
Provenienz:
Am 9. November 1799 durch Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg von dem Kunsthändler Joseph Drapeau in Paris erworben.
Objektgeschichte:
Herzogliche Gemäldegalerie Gotha, Schloss Friedenstein; seit 1879 bis ca. 1943 im Herzoglichen Museum Gotha; Ende Januar 1946 im Schloss Friedenstein; im März 1946 mit dem Transport 176/1760 über Leipzig nach Moskau ins Staatliche Puschkin-Museum verbracht.
Rückkehr nach Gotha über Berlin am 11. November 1958; in der Nacht vom 13./14. Dezember 1979 gestohlen; Rückgabe 2019 in Berlin, seit Januar 2020 in Gotha.
Rückführung mit Unterstützung der Ernst von Siemens Kunststiftung.
Das Gemälde konnte mit der Unterstützung verschiedener Förderer restauriert und mit einem historischen Flammleistenrahmen (frühes 17. Jahrhundert) neu gerahmt werden.
Das Brustbildnis zeigt einen bärtigen alten Mann, der ein dunkelbraunes Gewand trägt und dessen zerfurchtes Gesicht von lockigen Haaren umrahmt wird. Der Blick geht am Betrachter vorbei ins Leere und der Dargestellte erscheint in sich gekehrt und nachdenklich. Leicht zur Seite gedreht, hebt sich vor einem undifferenzierten graubeigen Hintergrund die schlaglichtartig von schräg oben beleuchtete linke Gesichtshälfte kontrastreich hervor, während Teile des Hintergrunds, die rechte Gesichtshälfte und der Körper im Schatten verbleiben.
Das Bildnis kann dem Genre der sogenannten Tronie zugerechnet werden, bei der es sich nicht um Porträts bestimmter Personen handelt, sondern um lebensnahe Studien- und Charakterköpfe, deren Gemütsbewegung im Vordergrund steht. Auf attributive Gegenstände und Ortsangaben wird dabei verzichtet.
Eine intensive Auseinandersetzung mit dieser Bildgattung setzte ab 1623 bei Jan Lievens ein, der hinsichtlich der effektvollen Beleuchtung durch Rubens und die Utrechter Caravaggisten beeinflusst wurde. Rembrandt griff den Typus der Tronie während der gemeinsamen Atelierzeit mit Lievens ab 1625 ebenfalls auf und arbeitete teilweise mit denselben Modellen und Requisiten. Auch der hier dargestellte alte Mann lässt sich in Arbeiten beider Künstler nachweisen, die sich auf die Jahre 1629/30 eingrenzen lassen.
Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang eine Kreidezeichnung Rembrandts, entstanden 1629/30, die sich bis auf eine etwas stärker ausgeprägte Kopfneigung kompositorisch in unmittelbaren Zusammenhang mit dem Gothaer Gemälde bringen lässt. Darüber hinaus existiert eine weitgehend identische Gemäldefassung in Cambridge, die signiert und auf 1632 datiert ist.
Die bisherigen Zuschreibungen des Gothaer Gemäldes an den Rembrandt-Schüler Ferdinand Bol und Rembrandts Partner Jan Lievens überzeugen aus verschiedenen Gründen nicht. Zwar finden sich im Œuvre beider Künstler ebenfalls Tronies, allerdings unterscheidet sich deren malerischer Stil deutlich vom vorliegenden Werk.
Die virtuos-routinierte Malweise des Gothaer Bildnisses lässt auf eine zügige Umsetzung schließen. Der Künstler setzte seine Mittel unter Anwendung unterschiedlicher Techniken sparsam ein und erzielte damit eine große Wirkung, vor allem bezüglich der Gegensätze von Licht und Schatten. So stehen die pastos angelegten Konturen um Augen und Nase neben transparenten Bereichen mit geschickt gesetzten lasierenden Weißhöhungen. Sowohl der Hintergrund als auch die teils nur flüchtig angedeutete Kleidung sind fast flächig mit breitem Pinsel angelegt. Die Maße der verwendeten Eichenholztafel entsprechen denen, die in der gemeinsamen Leidener Werkstattzeit von Lievens und Rembrandt von 1625 bis 1631 verwendet wurden.
Infolge des Kunstraubs trug das Bildnis tiefe Kratzer davon; insgesamt war das Erscheinungsbild durch Firniskrepierungen und Verschmutzungen stark verunklärt. Die im Zusammenhang mit der Restaurierung erfolgten Untersuchungen führen zu einer Neubewertung des Gemäldes: Es handelt sich bei dem Bildnis des alten Manns um eine spontan und sehr sicher ausgeführte Komposition, die in weiten Teilen eine skizzenhafte, raue Manier zeigt und diese mit feineren und glatteren Bereichen verbindet. Vermutlich diente es dem wenige Jahre später entstandenen Gemälde in Cambridge als Vorbild.
Hierauf lassen auch die von der ausgeführten Darstellung abweichenden Untermalungen (Pentimenti) schließen, die auf der UV-Reflexion und IR-Aufnahme im Bereich der Kleidung zu erkennen sind und bei der Fassung in Cambridge fehlen. Diese lassen Änderungen während des Malprozesses vermuten, die bei der Anfertigung einer Kopie auszuschließen sind.
Beide Gemälde unterscheiden sich sowohl motivisch als auch technisch in Bildaufbau und Malweise nur wenig voneinander. Insgesamt wirkt aber die zweite Version in Cambridge in gewissem Sinne wie eine Weiterentwicklung und, wegen des vollständigen Verzichts auf Pastosität in der malerischen Ausformulierung, weicher sowie insgesamt einheitlicher. Einige Details sind stärker ausdifferenziert, wodurch der skizzenhafte Charakter der Gothaer Version verloren geht.
Die hohe malerische Qualität, die festgestellten Pentimenti und die neue zeitliche Einordnung werfen letztlich die Frage auf, ob das Gemälde in Gotha, das bislang von der Rembrandt-Forschung kaum beachtet wurde, nicht doch von Rembrandt selbst geschaffen wurde bzw. unter seiner Beteiligung in der Werkstatt entstanden ist.
Aufgrund der rückseitigen Beschriftung kann vermutet werden, dass das Bildnis, das möglicherweise als Studie über mehrere Jahre in der Rembrandt-Werkstatt verblieb und daher auch nicht signiert wurde, später in den Besitz von Ferdinand Bol gelangte. Im Ehevertrag des Künstlers vom 8. Oktober 1669 wird unter den aufgeführten Gemälden „een out man von Rembrant“ aufgeführt. Dieses Bildnis ist wahrscheinlich mit einem Stück identisch, das sich 13 Jahre zuvor noch im Besitz Rembrandts befunden hatte und 1656 zur Konkursmasse gehörte.
Mit einer Zuschreibung an Rembrandt und der mutmaßlichen Provenienz aus dessen Besitz würde das Gothaer Gemälde einen enormen Bedeutungsgewinn erfahren, der aufgrund des jahrzehntelangen Verlustes durch den Kunstraub von 1979 erst jetzt zur Diskussion gestellt werden konnte. Für eine Einordnung in das Rembrandt-Œuvre müssen zukünftige Einschätzungen durch die Forschung abgewartet werden.
Das Gemälde der Heiligen Katharina von Alexandrien, vermutlich von Hans Holbein d. Ä. (1465-1524/5), ist seit 1824 auf Schloss Friedenstein nachweisbar. Die Tafel zeigt Katharina als Halbfigur mit Marterwerkzeugen und weist Porträtzüge auf, die auf Katharina Schwarz deuten. Das Gemälde gilt als eigenständiges Werk und bedeutendes Beispiel für Holbeins Spätwerk. Zum Schutz vor Kriegseinwirkungen mehrfach ausgelagert, verbrachten die sowjetischen Truppen dieses und viele andere Museumsobjekte 1946 in Museen der UdSSR. 1958 kehrten sie in einer groß angelegten Rückgabeaktion nach Gotha zurück. Bei dem spektakulären Diebstahl 1979 wurde es zusammen mit vier weiteren Werken aus der Ausstellung im Schloss gestohlen. Nach der Rückgabe im Jahr 2019 und der Restaurierung befindet es sich seit 2020 wieder in Gotha. Bei den Restaurierungsarbeiten kam der ursprüngliche dunkelblaue Hintergrund zum Vorschein.
Provenienz
Seit 1691 in den Sammlungen von Schloss Friedenstein nachgewiesen
Objektgeschichte:
Seit 1824 in der Herzoglichen Gemäldegalerie, Schloss Friedenstein; seit 1879 im Herzoglichen Museum Gotha ausgestellt; vor 1943 ins Schloss Reinhardsbrunn ausgelagert; nach dem 17. Januar 1946 mit dem Sonderzug 176/1759 in die UdSSR verbracht;
Rückkehr nach Gotha über Berlin am 11. November 1958; in der Nacht vom 13./14.
Dezember 1979 gestohlen; Rückgabe 2019 in Berlin und seit Januar 2020 in Gotha.
Rückführung mit Unterstützung der Ernst von Siemens Kunststiftung.
Die Restaurierung und Rahmung des Gemäldes erfolgte mit Unterstützung verschiedener anonymer Förderer, des Freundeskreises Kunstsammlungen Schloss Friedenstein Gotha e.V. und des Rotary Clubs Gotha. Bei dem Rahmen handelt es sich um einen zeittypischen historischen Plattenrahmen (Nussbaum, deutsch, 16./17. Jahrhundert).
Die Tafel in kleinem Format zeigt die hl. Katharina von Alexandrien vor dunklem Hintergrund als Halbfigur, die Marterinstrumente Rad und Schwert attributiv in den Händen haltend. Über einem weißen Untergewand trägt sie ein helles Kleid mit bestickten goldenen Borten, das unterhalb der Brust von einem braunen Gürtel zusammengehalten wird. An ihrem kleinen Finger der linken Hand trägt sie einen goldenen Ring, der mit einem schwarzen Stein besetzt ist, ein weiterer Ring mit rotem Stein sitzt am Mittelfinger der rechten Hand. Oberhalb des Haaransatzes schmückt ein schmales, perlenbesetztes schwarzes Haarband die junge Frau, die kontemplativ in sich versunken erscheint.
Die individuellen Züge haben die Forschung annehmen lassen, dass sich die Dargestellte mit einem Frauenbildnis auf dem Votivbild des Ulrich Schwarz d. J. und seiner Familie von 1508 identifizieren lässt, das als »KATHARINA« bezeichnet ist. Es handelt sich dabei um die erstgeborene Tochter einer gut situierten Augsburger Bürgerfamilie. Das anmutige Bildnis würde nach dieser überzeugenden Interpretation dem Typus des Krypto-Porträts entsprechen, das Katharina Schwarz in der Rolle ihrer Namensheiligen und Schutzpatronin zeigt und somit eine Doppelfunktion aus Andachtsbild und Porträtbildnis besitzt. Die Folterinstrumente und der strenge, kontemplative Ausdruck verweisen auf den Kontext der Heiligen, der Verzicht auf den Heiligenschein, die porträthaften Züge und die zeitgenössische Kleidung auf die Lebenswelt der porträtierten Katharina Schwarz.Hans Holbein d. Ä. zählt zu den wichtigsten Meistern in der Zeit des Übergangs der Spätgotik zur Renaissance. Neben der traditionellen Kirchenkunst mit Altar- und Andachtsbildern ist es vor allem die Porträtmalerei in seinem Spätwerk des zweiten und dritten Jahrzehnts des 16. Jahrhunderts, die sein Œuvre besonders auszeichnet und ein deutliches Interesse an der menschlichen Physiognomie zeigt. Gerade hier sind die künstlerischen Neuerungen der Frühen Neuzeit deutlich abzulesen. Dem Gothaer Gemälde kommt dabei eine besondere Rolle zu und es wurde aufgrund der feinmalerischen Qualität besonders geschätzt. Darüber hinaus war es das einzige Gemälde des Künstlers in der ehemaligen DDR.
Das Gemälde konnte nach seiner Rückkehr nach Gotha 2020 umfangreich restauriert werden, wobei spätere Übermalungen, etwa im Bereich der Haare, und starke Verschmutzungen entfernt wurden. Dabei wurde festgestellt, dass der heute fast schwarz erscheinende Hintergrund ursprünglich dunkelblau angelegt war. Die aktuellen Untersuchungen der Holztafel bestätigten, dass es sich bei dem Gemälde nicht um ein Fragment eines größeren Altargemäldes, wie teils in der Forschung angenommen, sondern um ein autonomes Objekt handelt.
Das 1804 von Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg erworbene Gemälde von Frans Hals wurde erstmals 1826 in der Herzoglichen Gemäldegalerie und später im Herzoglichen Museum Gotha erwähnt. Das Bildnis zeigt einen modisch gekleideten, dynamisch dargestellten jungen Mann, den viele früher für ein Selbstbildnis von Hals hielten. Zum Schutz vor möglichen Kriegseinwirkungen wurde es 1943 ausgelagert, drei Jahre später nach Moskau gebracht und 1958 in einer groß angelegten Rückgabeaktion durch die UdSSR nach Gotha zurückgeführt. Bei dem spektakulären Diebstahl 1979 in Gotha gestohlen, tauchte es erst 2019 wieder auf. Nach der Rückgabe und Restaurierung ist es seit 2020 wieder in Gotha zu sehen. Neueste Untersuchungen bestätigen die Authentizität des Werkes, das auf 1625-1630 datiert wird.
Provenienz:
Aus der Sammlung von Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg
Objektgeschichte:
Seit 1826 in der Herzoglichen Gemäldegalerie, Schloss Friedenstein, erwähnt; seit 1879 im Bestand des Herzoglichen Museums Gotha. Vor 1943 erfolgte eine Auslagerung ins Schloss Reinhardsbrunn. Im März 1946 wurde das Werk mit dem Transport 176/1760 über Leipzig nach Moskau ins Staatliche Puschkin-Museum verbracht.
Rückkehr nach Gotha über Berlin am 11. November 1958. In der Nacht vom 13. auf den 14. Dezember 1979 wurde es gestohlen und ist seit Januar 2020 wieder in Gotha.
Die Rückführung erfolgte mit Unterstützung der Ernst von Siemens Kunststiftung.
Das Gemälde konnte mit der Unterstützung mehrerer Förderer restauriert und mit einem passenden historischen Flammleistenrahmen (Nussbaum, 17. Jahrhundert) gerahmt werden.
Das Gothaer Bildnis eines jungen Mannes von Frans Hals präsentiert dem Betrachter einen nach halb rechts, freundlich zugewandten Kavalier. Seine regelmäßigen, glatten Gesichtszüge mit der geraden Nase und den rosigen Wangen weisen ihn deutlich als jungen, vitalen Mann aus. Auch seine selbstbewusste, schwungvolle Pose mit dem in die linke Seite gestützten Arm sowie der offene Blick vermitteln einen für ein Porträt des 17. Jahrhunderts ungewöhnlich dynamischen Eindruck. Er ist modisch gekleidet: Zu einem schlicht schwarzen Wams mit eng geknöpften Ärmeln trägt er, plissiert und weich herabhängend, eine vornehme, aus mehreren Lagen feinsten Leinens bestehende Halskrause, wie sie in den Niederlanden vor allem in den 1620er-Jahren modern war. Sein effektvoll um die rechte Schulter drapiertes Cape wird von einem hochgeschlagenen Filzhut mit weiter Krempe ergänzt, einem Accessoire, das im 17. Jahrhundert „zum kostspieligen Renommierstück“ avancierte.
Das Männerbildnis wurde vor 1804 durch Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg für die Sammlung erworben und erstmals im Inventar von 1826 erwähnt. Frans Hals’ Oeuvre war zu diesem Zeitpunkt weitgehend in Vergessenheit geraten. Es ist daher kaum verwunderlich, dass das Gothaer Werk zunächst dem damals bekannteren Theodor [Thomas de] Keyser zugeschrieben wurde. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts nahm das Interesse an Frans Hals rapide zu. Seine Bilder wurden innerhalb kurzer Zeit zu begehrten Sammelobjekten. Auch die Person des Malers geriet zunehmend in den Fokus, und man begann, nach möglichen Selbstbildnissen zu suchen. In der Folge meinte man, in zahlreichen seiner Werke Selbstporträts erkennen zu können – darunter auch das Gothaer Gemälde. Diese Annahme wurde jedoch zu Recht verworfen. Weder ist eine Übereinstimmung der Physiognomie zu erkennen, noch kommt das Alter des Dargestellten mit dem von Frans Hals überein. Heute wissen wir, dass sich von Frans Hals lediglich zwei Selbstporträts erhalten haben, davon eines nur als Kopie.
Das Gothaer Gemälde wurde durchgehend als ein authentisches Werk von Frans Hals anerkannt, bevor der Kunsthistoriker Seymour Slive das Bildnis 1974 in seinem Werkverzeichnis „als zweifelhaft“ aufnahm. Seiner damaligen Beurteilung lag jedoch nicht die Begutachtung des Originals zugrunde. Mit dem Gothaer Raub von 1979 wurde eine erneute Untersuchung und mögliche Neubewertung des Bildes für mehrere Jahrzehnte unmöglich. Die aktuellen Untersuchungen haben bestätigt, dass es sich bei dem Werk um eine eigenhändige Arbeit von Frans Hals aus der Zeit um 1625–1630 handelt.
Das Bild weist deutliche Übereinstimmungen mit Gemälden von Frans Hals der 1620er-Jahre auf. Dies gilt sowohl für die kompositorische Anlage des von links beleuchteten, nach rechts gewandten Halbfigurenporträts vor einem tonig zurückhaltend gestalteten Hintergrund als auch für spezifische, sich bei Hals regelmäßig wiederholende Motive, beispielsweise die entspannt in das Revers greifende Hand mit gestrecktem Daumen. Auch die malerische Ausarbeitung, etwa die für das Gothaer Bildnis so kennzeichnende feine Gesichtsmodellierung mit glatt vertriebenem Inkarnat, markant gezogener, breiter Mundlinie und lebendig gesetzten Lichtern, findet Entsprechungen auf anderen Bildern von Frans Hals der 1620er-Jahre. Auch die akzentuiert gesetzten Lichter der Kleidung und der vergleichbare seidige, ins Bläuliche changierende Schimmer der Hutkrempe sind auf einem der berühmtesten Porträts dieser Zeit von Frans Hals, dem sogenannten Lachenden Kavalier der Wallace Collection, zu finden. Der Mode der ersten Jahrzehnte des 17. Jahrhunderts entsprechend tragen beide porträtierten Männer zudem die gleiche Haar- und Barttracht. Auch ihr direkter Blick mit dem selbstbewussten, abwartenden Lächeln verbindet diese zwei Bildnisse und zeichnet sie als Werke von Frans Hals aus, der den Charakter seiner Modelle intuitiv erfasste und malerisch meisterhaft umsetzte.
Das Gemälde ist eine Kopie nach Anthonis van Dycks Selbstbildnis mit Sonnenblume (um 1633). Van Dyck inszenierte sich als erfolgreicher Künstler und nutzte die Sonnenblume als Symbol seiner Treue zu König Karl I. Stilistisch unterscheidet sich das Gothaer Gemälde vom Original van Dycks, gilt aber als eine der besseren Kopien.
Das Werk aus der Sammlung des Herzogs August von Sachsen-Gotha-Altenburg wurde 1826 erstmals in der Herzoglichen Gemäldegalerie erwähnt und 1946 von der sowjetischen Armee nach St. Petersburg verbracht. 1958 kehrte es im Rahmen einer groß angelegten Rückgabeaktion der UdSSR nach Gotha zurück. Bei dem spektakulären Diebstahl 1979 wurde es zusammen mit vier weiteren Werken aus der Ausstellung im Schloss gestohlen. Nach der Rückgabe 2019 und der Restaurierung ist es seit 2020 wieder in Gotha zu sehen.
Provenienz:
Aus der Sammlung von Herzog August von Sachsen-Gotha-Altenburg.
Objektgeschichte:
Seit 1826 in der Herzoglichen Gemäldegalerie, Schloss Friedenstein, erwähnt; seit 1879 bis ca. 1943 im Bestand des Herzoglichen Museums Gotha; im August 1946 mit dem Sonderzug 176/8042 in die Eremitage nach Sankt Petersburg verbracht.
Rückkehr nach Gotha über Ost-Berlin am 16. April 1959; in der Nacht vom 13./14. Dezember 1979 gestohlen; Rückgabe 2019 in Berlin, seit Januar 2020 in Gotha.
Rückführung mit Unterstützung der Ernst von Siemens Kunststiftung.
Das Gemälde konnte mit der Unterstützung mehrerer Förderer restauriert und neu gerahmt werden.
Das Gemälde ist eines von mindestens acht Kopien nach Anthonis van Dycks um 1633 geschaffenem Selbstbildnis mit Sonnenblume. Der flämische Maler bildete sich im Alter von ca. 34 Jahren mit lockigem, nahezu schulterlangem Haar und modischem Oberlippen- und Kinnbart im geschlitzten dunkelroten Wams ab. Mit seinem rechten Zeigefinger verweist er auf die goldene Blüte einer prachtvollen Sonnenblume, die vor einem blauen, leicht bewölkten Himmel erstrahlt. Er blickt sie jedoch nicht an. Stattdessen schaut er über seine rechte Schulter zurück, in Anlehnung an einen italienischen Bildtypus, der sich seit Anfang des 16. Jahrhunderts verbreitete. Bevorzugt ließen sich Künstler, Musiker und Dichter in dieser Pose darstellen, da sie die in ihnen wohnende Fähigkeit geistiger Konzeption und Anschauungskraft verkörperte.
Seit den 1630er-Jahren griff auch van Dyck mehrfach diese sogenannte „geniale“ Kopfwendung in Selbstporträts auf und transportierte damit anschaulich sein künstlerisches Selbstverständnis.
Zugleich integrierte er zu diesem Zweck die Sonnenblume und die quer über seine Brust geschlungene Goldkette, die er mit der linken Hand demonstrativ anhebt, zwei Attribute, deren Bedeutung unterschiedlich diskutiert wurde. Die Kette wurde primär als Zeichen seines künstlerischen Erfolges gedeutet, denn im Laufe seiner Schaffenszeit verliehen ihm seine Auftraggeber dreifach eine goldene Kette als Anerkennung seiner Leistungen. Die letzte erhielt er in zeitlicher Nähe zur Entstehung des Gemäldes 1633 von dem englischen König Karl I. (1600–1649), weshalb hier eine Verbindung hergestellt wurde. Jedoch fehlt das für die Königskette charakteristische Miniaturbildnis des Königs, weswegen ihre Bedeutung nicht allein auf die Beziehung des Malers zum englischen König zu reduzieren ist. Darauf verweisen ebenso vergleichbare Goldketten in früheren Selbstbildnissen. Auch die Sonnenblume ist in seinem Œuvre kein Unikum und kommt bereits in einem früheren Bildnis vor. Dort wie im Selbstbildnis wurde sie primär als Symbol der Ergebenheit und Treue zum königlichen Mäzen bzw. zur Monarchie gedeutet. Mit Bedacht darauf, dass die Sonnenblume stets ihre Blüte zur Sonne hinwendet, inszenierte sich van Dyck hier aber vor allem selbst als „Maler-Sonne“ seiner Zeit. Denkbar ist daher, dass das Vorbild des Gothaer Gemäldes als ein Probestück seiner Kunstfertigkeit nach seiner Ankunft in London 1632 fungierte.
Aufgrund der eher pauschalen Wiedergabe der individuellen Gesichtszüge und der Faltenwürfe mit fehlenden Farbübergängen grenzt sich das Gothaer Bildnis stilistisch von der feinen, differenzierten Malweise van Dycks ab. Es handelt sich also nicht um ein eigenhändiges Werk des Malers, wobei es in der kunsthistorischen Forschung als eine der besseren Kopien des Porträts angesehen wird, die wohl allesamt im 17. Jahrhundert entstanden. Im direkten Vergleich scheinen die Kopien nicht zwangsläufig nach dem Vorbild in Cheshire geschaffen worden zu sein. In der Ausgestaltung der Haare und der Form der zweiten kleinen Blüte der Sonnenblume ist beispielsweise eine ehemals in Sussex verwahrte Kopie mehr dem Gothaer Bildnis verwandt. Möglich ist daher, dass ein Teil der Kopien bereits nach Kopien wie dem Gothaer Bildnis entstanden.
Durch eine Radierung des böhmischen Grafikers Wenzel Hollar (1607–1677) erlangte das Selbstbildnis mit Sonnenblume kurz nach dem Tod van Dycks eine größere Bekanntheit, was die Entstehung der zahlreichen Fassungen befördert haben könnte. Zudem ist das Werk ein wesentliches Indiz dafür, dass sich das Vorbild des Gothaer Gemäldes im Besitz eines reichen englischen Aristokraten befand, wobei die Sammlung des Grafen von Arundel und Surrey, Thomas Howard (1585–1646), in Betracht zu ziehen ist, für welche Wenzel Hollar an einem illustrierten Sammlungskatalog mitarbeitete, der unvollendet blieb.
Das Landschaftsgemälde zeigt eine ländliche Dorfszene mit detailliert dargestellten Bauern, Tieren und Gebäuden, wie sie für Jan Brueghel d. Ä. typisch sind. Es könnte sich um eine Werkstattarbeit oder um die Wiederholung eines verlorenen Originals handeln. Das Werk befand sich seit 1826 in der Herzoglichen Gemäldegalerie auf Schloss Friedenstein und wurde 1946 nach Moskau verbracht. 1958 kehrte es im Rahmen einer groß angelegten Rückgabeaktion der UdSSR nach Gotha zurück. Bei dem spektakulären Diebstahl 1979 wurde es zusammen mit vier weiteren Werken aus der Ausstellung im Schloss gestohlen. Nach der Rückgabe 2019 und der Restaurierung ist es seit 2020 wieder in Gotha.
Provenienz:
Vor 1804 durch Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg für die Kunstkammer erworben.
Objektgeschichte:
Seit 1826 in der Herzoglichen Gemäldegalerie, Schloss Friedenstein, erwähnt; seit 1879 im Bestand des Herzoglichen Museums Gotha; 1943 Aufbewahrung im Herzoglichen Museum; im März 1946 mit dem Transport 176/1760 über Leipzig nach Moskau ins Staatliche Puschkin-Museum verbracht; Rückkehr nach Gotha über Berlin am 11. November 1958; in der Nacht vom 13./14. Dezember 1979 gestohlen; Rückgabe 2019 in Berlin, seit Januar 2020 in Gotha. Rückführung mit Unterstützung der Ernst von Siemens Kunststiftung.
Das Gemälde konnte mit der Unterstützung mehrerer Förderer restauriert und neu gerahmt werden.
In diesem querformatigen Gemälde ist das idyllische, aber auch geschäftige Treiben der ländlichen Bevölkerung zu Ende des Sommers festgehalten. So scheint ein Storch am Himmel seinen Flug gen Süden anzutreten. Die Blätter der Laubbäume wechseln ihre Farbe. Auf einer unbefestigten Landstraße am Rande einer Siedlung mit Backsteinhäusern transportieren mehrere Bauern ihre Güter mit Fuhrwerken. Zugleich führen sie einige Rinder mit sich. Um ihnen nicht in die Quere zu kommen, wählen Fußgänger – darunter ein Reisender mit einem Gepäckbeutel, der zum Betrachter zurückblickt – einen schmaleren Weg links daneben. Weitere Personen, die Anwohner der Siedlung, sowie freilaufende Hühner, Gänse und Schafe sind zu sehen. Eine Mutter schaut gerade mit ihrem Kind aus der Tür, ihre Aufmerksamkeit gilt zwei vor dem Haus stehenden Personen, denen ein Hund zuläuft.
Diese und weitere zahlreiche Details der Dorflandschaft beeindrucken, umso näher man an das Gemälde heranrückt. Selbst im Hintergrund sind noch mehrere Figuren zu erkennen, deren Kleidung durch eine gekonnte Pinselführung angedeutet ist. Im Gegensatz zum grün- bis rotbraun gehaltenen Vordergrund dominieren hier hellere und kühlere Farben. Der Einsatz der Farbperspektive verleiht dem Gemälde Tiefenwirkung, ebenso wie die diagonal ins Bild gesetzte Landstraße und die zum Hintergrund hin immer kleiner dargestellten Bildfiguren. Besonders revolutionär zur Entstehungszeit des Gemäldes um 1610 war der nahezu mittig ins Bild platzierte Horizont, der maßgeblich dazu beiträgt, dass vor dem Auge des Betrachters eine wirklichkeitsnahe Dorflandschaft entsteht.
Derartige motivisch traditionelle und von der Konzeption her innovative Landschaftsmalereien in Verbindung mit großem Detailreichtum sind für Jan Brueghel d. Ä. typisch, der für diese bereits zu Lebzeiten geschätzt wurde.
So wurde das Gemälde bis zuletzt dem aus einer einflussreichen Antwerpener Malerfamilie stammenden Künstler zugeschrieben und u. a. angenommen, es sei ein Dorf im Umkreis von Amsterdam wiedergegeben. Das im Vergleich mit anderen Arbeiten Brueghels verhältnismäßig großformatige Gemälde weist jedoch kaum grafische Elemente auf. In Brueghels Arbeiten wechseln sich malerische und zeichnerische Prozesse ab, sodass mittels nachträglich aufgesetzter Linien selbst kleinste Details angedeutet sind. Gemessen an seiner Größe ist die Szene also weniger ausdifferenziert als deutlich kleinere Arbeiten des Künstlers. Wahrscheinlich handelt es sich daher nicht um ein eigenhändiges Werk Brueghels, sondern um eine qualitätvolle Werkstattarbeit.
Die bekannten Werkstattarbeiten kopieren vielfach eigenhändige Werke Brueghels, sodass es sich um eine Wiederholung eines verlorenen Gemäldes von Brueghel handeln kann. Möglich ist aber auch, dass Vorlagen von Brueghel in der Werkstatt frei für Neukonzeptionen genutzt wurden. Der Künstler bevölkerte seine Dorflandschaften wiederholt mit den gleichen Staffagefiguren, die er im Alltag skizzierte. Mit Abänderungen in den Details ist beispielsweise der seitlich auf einem Schimmel sitzende Bauer mit Wagen und die Dreiergruppe mit der Frau mit Baby im Vordergrund (Abb. 79.8) ebenso in einem etwa zeitgleich entstandenen Gemälde sichtbar.
Eine Zeichnung, die Brueghel zugeschrieben wird und die gesamte vordere Figurengruppe der Bauern mit Wägen mit kleineren Abänderungen zeigt, ist ebenfalls überliefert. Am größten aber sind die Parallelen zu einer etwa zeitgleich entstandenen Landschaftsmalerei gleichen Formats von Joos de Momper d. J. (1564–1635). Nicht nur die Gruppe der Bauern im Vordergrund, sondern auch die Fußgänger sind auf diesem abgebildet. Inwiefern der niederländische Maler, der wiederholt mit Brueghel zusammenarbeitete, bei der Entstehung des Gothaer Gemäldes involviert war, ist noch weiterführend zu untersuchen.
Bei dem Gothaer Gemälde handelt es sich also um eine auf Basis von Alltagsstudien im Atelier zusammengesetzte Phantasielandschaft des damaligen bäuerlichen Lebens. Interessanterweise versuchte eine »Gruppe Zigeuner« bereits 1978 dreimal, das Werk auf Veranlassung eines vermögenden Pferdehändlers aus dem Schloss Friedenstein zu stehlen, womöglich weil ihm vor allem die fahrende Bevölkerung auf dem Gemälde gefiel.
Trotz eines Großaufgebots der Volkspolizei und des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) blieb der Verbleib der Bilder lange Zeit ungeklärt. In den Monaten nach dem Einbruch wurden tausende Personen überprüft und umfangreiche Spuren verfolgt.
Ins Visier gerieten etliche mögliche Täter:innen aus der DDR sowie westdeutsche Bürger:innen. Heinz Wiegand, der damalige Direktor der Gothaer Museen, spielte bei den Ermittlungen eine Doppelrolle. Einerseits kritisierte er vehement die unzureichenden Sicherheitsvorkehrungen im Schloss, andererseits arbeitete er als inoffizieller Mitarbeiter des MfS. 1984 schickte ihn die Stasi sogar undercover nach Coburg, um Informationen über die verschwundenen Gemälde zu sammeln. Wiegands Reise brachte jedoch keine neuen Erkenntnisse, da sich die Bilder weiterhin in der DDR befanden.
Das Ermittlungschaos wurde zusätzlich durch die Konkurrenz zwischen Polizei und Stasi genährt. Die Kriminalpolizei ging wichtigen Hinweisen auf einen blauen P70 nach, der in der Nähe des Tatortes gesehen worden war, doch aufgrund nachlässiger Überprüfungen im Bezirk Suhl wurden entscheidende Spuren nicht weiterverfolgt. Auch die Herkunft einer am Tatort zurückgelassenen Steighilfe wurde widersprüchlich analysiert. Während die Stasi behauptete, das Material stamme aus dem „nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet“, wies eine andere Untersuchung auf eine lokale Produktion hin.
Schließlich stellte das MfS die Ermittlungen 1985 ein.
Erst 2018 ergaben sich neue Hinweise auf den Verbleib der Bilder. Eine Schlüsselrolle bei der Rückführung spielten Mitarbeiterinnen der Friedenstein Stiftung Gotha sowie Oberbürgermeister Knut Kreuch. Letzterer kontaktierte die Ernst-von-Siemens-Kunststiftung, die sich mit den anonymen Besitzer:innen der Gemälde in diskrete Korrespondenz begab. Dies führte schließlich dazu, dass die Gemälde in Berlin untersucht und ihre Echtheit bestätigt wurde. Im Januar 2020 fanden die Gemälde nach langwierigen Verhandlungen ihren Weg zurück ins Schloss Friedenstein.
Quellen:
Wieder zurück in Gotha! : die verlorenen Meisterwerke / herausgegeben von Timo Trümper für die Stiftung Schloss Friedenstein Gotha. – Petersberg : Michael Imhof Verlag, [2021].