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Deutsche Erinnerungslücke KZ Ohrdruf

1944 – 2022 – 2100
Das unvollendete Denkmal

Am 4. April 1945 erreichten amerikanische Soldaten das südlich von Gotha am Ortsrand von Ohrdruf gelegene Konzentrationslager. Es war das erste Konzentrationslager, das die amerikanischen Alliierten befreiten.

Der Oberbefehlthaber der alliierten Streitkräfte und spätere US-Präsident Dwight D. Eisenhower (Mitte) am 12. April 1945 im befreiten KZ Ohrdruf

Inmitten der alptraumhaften „Leichenberge“ stießen sie zugleich erstmals auf noch lebende Häftlinge. Internationale Kriegsberichterstatter berichteten vom „Horror Camp“ südlich der idyllischen Burgenlandschaft der Drei Gleichen zwischen Ohrdruf, Crawinkel und Arnstadt, heute ein (nicht zugänglicher) Truppenübungsplatz der Bundeswehr.

New York Herold Tribune vom 27. April 1945, Privatsammlung Christoph Mauny, Foto: Christoph Mauny
„Das Scharren der tausend hölzernen Latschen, schrille Pfiffe, brutale Rufe irgendwo im Wald. Wir hörten niemanden klagen. Wer nicht mehr konnte, ließ sich fallen. Nur ein Wort pflanzte sich weiter von Reihe zu Reihe: Das ist die Hölle, dos Gehennem, c’est l’enfer! Crawinkel hieß der Flecken nahe dem Lager. (Hat Goethe diesen idyllischen Krähwinkel denn nirgends erwähnt?) Das Lager besaß nicht jene praktische Erfindung, Gaskammer genannt. Unter den hohen Fichten verglühten Leichen auf riesigen Scheiterhaufen. Giftige Rauchschwaden krochen träge über die Wurzeln der Bäume und deckten das Gewirr nackter Leiber wie mit Wattebauschen zu. […] Daran nun erinnert mich WALD. (Thüringischer Wald, deine Wurzeln nähren sich von ihrer Asche!)“
aus: Fred Wander, Der siebente Brunnen, Wien 19714

Während „Ohrdruf“ in der amerikanischen Geschichte des Zweiten Weltkrieges ein Begriff ist, ist es aus dem Gedächtnis der Deutschen verschwunden und selbst als Chiffre regional und lokal weitgehend unbekannt. Als eines von über 130 Außenlagern des KZ Buchenwald wurde das Lager Ohrdruf am 6. November 1944 eingerichtet. Es stand zeitweise unter eigener Verwaltung, bevor es ab dem 15. Januar 1945 wieder als Außenkommando von Buchenwald geführt wurde.

New York Times vom 9. April 1945, Privatsammlung Christoph Mauny, Foto: Christoph Mauny
Massengrab mit Mahnmahl auf dem ehemaligen KZ-Gelände in Ohrdruf

Menschen aus mehreren europäischen Ländern wurden hierher verschleppt, um im nahen Jonastal in Schwerstarbeit bis zu 14 Stunden täglich Stollen zu treiben. Teile der Stollenanlage und Fundamentreste sind noch vorhanden. Mythen wuchern heute im Jonastal und verstellen den Blick auf die Opfer.

Zum Lagerkomplex gehörten ein Nord- und ein Südlager bei Ohrdruf, bald auch eine Luftmunitionsanstalt mit Bunker in Crawinkel und ein Zeltlager bei Espenfeld. Dokumente vom 16. Februar 1945 nennen für das Lager einen Höchststand von 12.459 Häftlingen, insgesamt durchliefen etwa 20.000 Häftlinge das Lager – untergebracht unter menschenunwürdigen Bedingungen. Die Wissenschaft geht heute von etwa 10.000 Toten aus, darunter auch Minderjährige.

Grundriss einer nicht mehr existierenden Baracke auf dem ehemaligen KZ-Gelände in Ohrdruf

#everynamecounts: Erinnerungslücke KZ Ohrdruf

Wer waren die Menschen, die hier gefoltert, ausgehungert, ermordet wurden? Gemeinsam machen wir uns auf die Suche nach ihren Namen, nach ihren Schicksalen. Und wenn es nur Bruchstücke von Biografien sind, wir sammeln sie, wir machen sie sichtbar.

Schulen, Jugendtreffs, Vereine, Initiativen und Projekte sind aufgerufen, gemeinsam ein Zeichen der Menschlichkeit zu setzen. Helfen wir den Nachfahren der Opfer, ihre Angehörigen zu finden: Gemeinsam digitalisieren wir Namen und biografische Spuren aus historischen Quellen. Gemeinsam machen wir sichtbar, was gewaltsam unsichtbar gemacht wurde.

Wie kann ich teilnehmen? Ob eingebettet in eine Doppelstunde Geschichte oder als Schulprojekttag – die Teilnahmezeit kann individuell festgelegt werden. Alles was benötigt wird: Computer oder Tablets mit Internetzugang.

https://everynamecounts.arolsen-archives.org/

Der von den Arolsen Archives und der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha veranstaltete #enc-Workflow zum KZ-Komplex Ohrdruf wird unterstützt vom Thüringer Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit im Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport.

„Deutsche Erinnerungslücke KZ Ohrdruf“ ist ein Erinnerungsprojekt der Friedenstein Stiftung Gotha in Kooperation mit den Arolsen Archives und der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora.

Wir bedanke uns für die Zusammenarbeit bei der Weimarer Mal- und Zeichenschule sowie freien Künstler*innen, dem Staatlichen Schulamt Westthüringen und der Bundeswehr.

Das Projekt steht unter gemeinsamer Schirmherrschaft der Städte Arnstadt, Gotha und Ohrdruf.

Es ist Teil des Netzwerk-Projekts „Erinnern vor Ort“ des Anne Frank Zentrums.

Gefördert durch Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien im Rahmen von „OPEN FRIEDENSTEIN!“.