Die Rückkehr einer Rubens-Ölskizze
„Der Heilige Gregorius von Nazianz“ des flämischen Malers Peter Paul Rubens hängt nach 79 Jahren wieder im Niederländersaal des Herzoglichen Museums.
Die bewegte Geschichte eines Herzstücks der Friedenstein’schen Sammlung
Rubens selbst fertigte die Ölskizze im Jahr 1621 an. Sie gehört zur Gothaer Serie von insgesamt fünf um 1620 entstandenen Ölskizzen des Künstlers für die Antwerpener Jesuitenkirche Carolus Borromeus. Die Serie galt als eine der bedeutendsten kunsthistorischen Juwelen der Gothaer Gemäldesammlung und wurde infolge der Kriegsereignisse des Zweiten Weltkriegs in alle Winde zerstreut. Nur zwei der Skizzen befanden sich bis vor Kurzem auf dem Friedenstein.
Der Friedenstein mit seinen bedeutenden Sammlungen hat durch Veruntreuung, Kriegsverluste und Verlagerung nach Russland gelitten wie nur wenige deutsche Kultureinrichtungen.
Im Niederländer Saal des Herzoglichen Museums Gotha markieren heute schwarz-weiße Reproduktionen den Verlust zahlreicher Werke, darunter auch die Rubens-Skizzen.
Während sich die Skizzen des „St. Athanasius“ und des „St. Basilius“ seit 1958 wieder auf dem Friedenstein befinden – sie waren nach dem Einmarsch der Roten Armee in die UdSSR verbracht, später aber wieder restituiert worden – teilen der jetzige Rückkehrer und die noch fehlenden Rubens-Skizzen ein anderes Schicksal: Sie waren im Jahr 1945 aus der Friedensteinschen Sammlung entnommen worden und mit der Argumentation, die Werke seien vor dem Zugriff der Roten Armee zu retten, bei Kriegsende nach Coburg überführt worden.
Die Werke standen damals bereits seit langem nicht mehr im Eigentum der Herzoglichen Familie von Sachsen-Coburg und Gotha, welche sie bald nach dem Zweiten Weltkrieg in die USA verkaufte. Sie gehörten vielmehr der eigenständigen, öffentlichen Zwecken verpflichteten „Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha’sche Stiftung für Kunst und Wissenschaft“.
Im Jahr 1952 wurde die Gregorius-Skizze von der New Yorker Galerie E. & A. Silberman an die Albright Art Gallery verkauft, die Vorgängerin der Albright-Knox Art Gallery, aus der das Buffalo AKG Art Museum hervorgegangen ist.
Friedenstein-Funk Folge 14
Die Rückkehr eines lange Vermissten
Dr. Tobias Pfeifer-Helke Direktor der Friedenstein Stiftung Gotha
Zeugnisse eines zerstörten Werkes
Die fünf Gothaer Ölstudien sind Teil einer Serie von 22 erhaltenen Werken, die Rubens als Entwürfe für die Deckenbilder der Antwerpener Jesuitenkirche schuf. Diese schmückten einst die Decken der Emporen und Seitenschiffe der Kirche. Die Arbeiten waren Rubens‘ erster großer Auftrag für ein öffentliches Gebäude und entscheidend für seine Karriere.
Die Deckenbilder zeigten abwechselnd biblische Szenen, weibliche Heilige und Kirchenväter, um den Anspruch der Jesuiten zu versinnbildlichen, die wahre katholische Lehre zu vertreten.
Während Rubens die Entwürfe selbst malte, führten namhafte Mitglieder seiner Werkstatt die Deckengemälde aus. Die Modelli zeigen die künstlerische Virtuosität des flämischen Meisters und bestechen durch Rubens‘ virtuosen, spontan modellierenden Pinselduktus, der seine eigenhändigen Ölskizzen kennzeichnet.
Die ursprünglichen 39 Deckengemälde wurden vollständig zerstört, als die Kirche am 18. Juli 1718 von einem Blitz getroffen wurde und das Dach Feuer fing. In wenigen Stunden waren große Teile der Kirche zusammengebrochen und verbrannt. Die erhaltenen Ölskizzen von 1620 sind daher als Primärdokumente von unschätzbarem Wert und ein wertvolles Zeugnis des heute zerstörten Gesamtkunstwerks.
„Der Heilige Athanasius siegt über Arius“
1802 unter Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg (1745–1804) von dem Kunsthändler François Xavier de Burtin aus Brüssel erworben | 1946–1958 Moskau |1958 Restitution
Rubens präsentiert den Heiligen als körperlich überlegenen Sieger über den Häretiker Arius. Er ist mit einer weißen, in der Taille durch eine Kordel zusammengeschnürten Albe, einem gelben Pallium, einem dunklen tunikaartiges Gewand und einem weiten braunen Mantel bekleidet.
Die Holztafel ist aus zwei horizontal verleimten Brettern zusammengesetzt. Auf der Rückseite sind zwei Hände und eine Burg in das Holz eingebrannt – die Brandmarken der Antwerpener St. Lukas-Gilde, Daneben sieht man das Monogramm des Tafelmachers, ein eingebranntes „LS“. Aufgrund der dendrochronologischen Untersuchung der Tafel lagerte das Holz elf Jahre, bevor Rubens es als Bildträger in Gebrauch nahm.
„St. Basilius“
1802 unter Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg (1745–1804) von dem Kunsthändler François Xavier de Burtin aus Brüssel erworben | 1946–1958 Moskau | 1958 Restitution
Wie Athanasius ist auch Basilius aus der Froschperspektive stark verkürzt dargestellt. Er tritt als asketischer Mönch in religiöser Ekstase auf. Rubens zeigt ihn daher nicht im Bischofs-, sondern im Mönchsgewand.
Er hat eine braune, schlichte, um den Bauch zugebundene Tunika und einen weiten schwarzen Mantel mit Kapuze an. Er kniet halb auf einer Wolke und blickt mit ausgebreiteten Armen in den Himmel. Vor ihm liegen drei Bücher, zwei davon aufgeschlagen. Das untere ist nur angedeutet und in die Wolkenformation eingebunden. Links windet sich eine Spiralsäule in den Himmel. Oben fliegt ein nackter Engel mit einem wallenden Tuch durch die Luft. Am Bildrand hat Rubens „S. Basilius“ vermerkt.
Der Bildträger besteht aus zwei horizontal verleimten Brettern. Er wurde in der Vergangenheit wegen der Anbringung eines Flachparketts auf der Rückseite gedünnt. Brand-, Schlag- oder Ritzzeichen haben sich daher nicht erhalten.
„Der Prophet Elias auf goldenem Wagen“ und „Der Heilige Augustin“ zählen noch zu den Verlustobjekten. Die beiden Rubens-Ölskizzen sind weiterhin als kriegsbedingt verbrachtes Kulturgut bei Lost-Art, der Datenbank des Deutschen Zentrum Kulturgutverluste, gelistet.
Seit vermutlich 1952 war „Der Prophet Elias“ im Besitz von Curtius O. Baer. Der letzte bekannte Besitzer war die Sammlung George M. Baer († 2009) aus Atlanta, Georgia. Seit spätestens 1997 war die Skizze als Leihgabe in der National Gallery of Art in Washington, D.C. nachweisbar. Es ist jedoch unklar, ob sie sich derzeit noch dort befindet.
Die Skizze „St. Augustinus“ befindet sich heute in der Sammlung Bührle (Schweiz) und ist im Kunsthaus Zürich ausgestellt. Mit der Sammlung Bührle ist die Friedenstein Stiftung Gotha im guten Austausch, mit dem Ziel, das Werk als temporäre Leihgabe nach Gotha zu bringen und die gesamte Serie der Rubensskizzen in einer Ausstellung zu würdigen.
Die Rückkehr ist das Ergebnis eines intensiven Prozesses, der geprägt ist durch das positive Zusammenwirken zweier der Öffentlichkeit verpflichteten Kultureinrichtungen (Buffalo AKG Art Museum (USA) und Friedenstein Stiftung Gotha), durch die vermittelnde und verantwortungsvolle Haltung des Auktionshauses Christie’s und nicht zuletzt durch das Engagement der EvSK.
Angestoßen wurde der Restitutionsprozess, als das Buffalo AKG Art Museum 2020 die Rubens-Skizze bei Christie’s einlieferte. Das Auktionshaus wurde gebeten, einen Verkauf der Rubens-Ölskizze „Heiliger Gregorius von Nazianz“ gemäß den Statuten der Association of Art Museum Directors (AAMD) und denen des International Council of Museums (ICOM) zu organisieren.
Prof. Dr. Dirk Boll, Vorstand für Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts, sagt: „Bereits 2006 konnte Christie’s ein Werk mit Gotha-Provenienz zurückführen, womit eine Sensibilität für die Geschichte der Sammlung im Hause Christie’s besteht. In der Ausübung unserer eigenen Sorgfaltspflicht und dem Verständnis, dass die Kunstmarktsysteme regulatorische Verantwortung mittragen, konnten wir das US-Museum dahingehend beraten, kein Auktionsangebot auf dem offenen Markt, sondern eine direkte Rückführung nach Gotha vorzunehmen.“
In der Folge führte Christie’s für die Buffalo AKG Art Museum die Verhandlungen mit der Friedenstein Stiftung Gotha, die das Werk 2001 in die Verlustdatenbank LostArt eingestellt hatte. Von Beginn an war die Stiftung an einer gütlichen Einigung interessiert, da sie davon überzeugt war, dass das Museum das Werk im Jahr 1952 zwar gutgläubig erworben hatte, aber die wahren Eigentumsverhältnisse damals nicht offen lagen.