Gotha-Porzellan
Anlässlich des Stadtjubiläums 1250 Jahre Gotha und der Jahreshauptausstellung „Gotha Genial“ präsentiert die Friedenstein Stiftung Gotha im Herzoglichen Museum Gotha ausgewählte Einzelstücke und Services aus dem breiten Produktionsspektrum der erfolgreichen Gothaer Porzellanmanufaktur.
Die Ausstellung veranschaulicht die Anfänge mit blauer Unterglasurmalerei und zeigt, wie man sich an antiken und zeitgenössischen englischen Vorbildern orientierte. Ausgewählte Serviceteile zeigen feine Blumen- und Fruchtmalereien sowie Scherenschnittmotive. Zu sehen sind auch Teile des qualitätvollen Hochzeitsservices für Erbprinz Ernst von Sachsen-Coburg und Gotha und Prinzessin Alexandrine von Baden sowie Arbeiten aus der späten Produktion.
Die erste Porzellanmanufaktur Thüringens! Zur Geschichte
1757 gründete der Geheime Rat und Kammerpräsident Wilhelm Theodor von Rotberg (1718-1795) in Gotha eine Porzellanmanufaktur. In den ersten Jahren gab es nur wenige Mitarbeiter, die noch mit der Masse experimentierten.
1767 verlegte und erweiterte von Rotberg den Betrieb. 1772 konnte er drei erfahrene Porzelliner für Gotha gewinnen: die Maler Christian Schulz und Johann Georg Gabel sowie den Modelleur Adam Brehm. Schulz kam aus Berlin und hatte vermutlich an der Königlichen Porzellanmanufaktur (KPM) gelernt, Gabel – ein Schüler Johann Heinrich Tischbeins des Älteren – und Brehm waren zuvor in der Manufaktur Closter Veilsdorf tätig gewesen. Mit ihnen erfuhren Malerei, Masse und Glasur eine wesentliche Qualitätssteigerung.
1782 schlossen sich Schultz, Gabel und Brehm mit dem erfolgreichen Gothaer Unternehmer Ernst Friedrich Arnoldi zu einem Konsortium zusammen: Sie pachteten die Manufaktur von Rotberg, der sich immer mehr aus der Geschäftsführung zurückgezogen hatte, und konnten das Gothaer Porzellan über die Landesgrenzen hinaus etablieren – eine Blütezeit begann. Im einflussreichen „Journal des Luxus und der Moden“ ist 1795 zu lesen:
„Man hat jezt Porzellan-Fabriken in vielen Gegenden Teutschlands; allein viele derselben liefern mehr Fayance als Porzellan, und können nicht neben Dresden, Berlin, Wien, Fürstenberg, genannt werden. Doch eine darf ich nicht mit Stillschweigen übergehen, und dies ist die Porzellan-Fabrik zu Gotha. Die Weiße und Feinheit der Masse, die Schönheit der Mahlerey und das Geschmackvolle in der Form […] zeichnen ihre Arbeit rühmlich aus […] und da die Vorsteher sich angelegen seyn lassen, durch neue Raffinierungen, oder feine Wahl guter Kopien, ihrer Fabrik immer mehr Mannigfaltigkeit und Reiz zu geben, und mit dem Geiste der Zeit fortzuschreiten, so macht dies ihre Produkte nothwendig beliebter und bekannter.“
Journal des Luxus und der Moden, 1795
1795 verstarb Wilhelm von Rotberg. Seine Witwe erneuerte den Pachtvertrag mit dem Konsortium und beantragte bei der Landesregierung die Weiterführung des Betriebes. Aus ihrem Brief an Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg geht hervor, dass die Erzeugnisse der Manufaktur „vielen Beyfall, besonders im Auslande“ gefunden haben. Angesichts „des Unsern hiesigen Landen und besonders Unserer hiesigen Residenzstadt durch die Fabrick zufliessenden Nutzens“ gewährte der Herzog ihr ein Privilegium, ein auf 20 Jahre befristetes Exklusivrecht im Herzogtum.
1802 verkaufte die Witwe Rotberg die Manufaktur an Erbprinz August von Sachsen-Gotha-Altenburg (1772-1822), der ein leidenschaftlicher Porzellansammler war. An die Stelle Arnoldis setzte er seinen langjährigen Kammerdiener Friedrich Egidius Henneberg (1756-1834), der über 20 Jahre lang erfolgreich das Lager und den Vertrieb leitete. 1804 schloss der Herzog mit Henneberg einen Erbvertrag, der einer Schenkung gleichkam. Eine neue Ära begann: Die Manufaktur erhielt einen neuen Standort und firmierte ab 1807 als „F. E. Henneberg und Co.“. Auf großen Ausstellungen wurden die „Hennerbergschen“ Porzellane mit Medaillen ausgezeichnet, so 1844 auf der Deutschen Gewerbeausstellung in Berlin und 1851 auf der Weltausstellung in Paris. Bis 1883 blieb die Manufaktur in Familienbesitz.
1883 erwarben die Gebrüder Simson, Inhaber der bekannten Suhler Waffenfabrik, das Unternehmen. Sie erwarben in Gotha ein weiteres Grundstück für eine neue Fabrik. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde die Fabrik 1934 liquidiert, da die Gebrüder Simson jüdischen Glaubens waren.
Die Sammlung der Friedenstein Stiftung Gotha
Die Friedenstein Stiftung Gotha besitzt mit über 1.200 Objekten eine der weltweit umfangreichsten Sammlungen Gothaer Porzellans. Dank des Digitalisierungsprojektes „Gotha transdigital“ sind bereits über 700 Objekte in der Online-Sammlung auf friedensteine.de zu finden. Der gesamte Bestand wird fotografisch erfasst und sukzessive veröffentlicht.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts befanden sich nur wenige Stücke aus ehemals herzoglichem Besitz in der musealen Sammlung, darunter einige Teile des Hochzeitsservices und schlichteres „Gebrauchsgeschirr“, das u.a. mit Initialen oder sächsischen Wappen verziert ist. Karl Purgold, von 1890 bis 1934 Direktor des Herzoglichen Museums zu Gotha, ist eine wesentliche Erweiterung des Bestandes zu verdanken. Schenkungen bereichern diese Spezialsammlung erfreulicherweise bis heute.
Highlights
Zu den Prunkstücken der Manufaktur gehört das Tafelservice, das die Stadt Gotha anlässlich der Vermählung des späteren Herzogs Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha mit Alexandrine von Baden anfertigen ließ. Beim feierlichen Einzug des Paares in die Residenzstadt am 21. Juni 1842 wurde das Service für 24 Personen überreicht. Die Stücke sind mit dem Allianzwappen und teilweise mit dem Wahlspruch „FIDELITER ET CONSTANTER“ (treu und beständig) auf blauem Band verziert und vergoldet. Neben Étagèren, Platten, Schüsseln und Schalen gehörten dazu 48 Dessertteller sowie eine Prunkvase mit Ansichten bedeutender Gebäude und Landschaften der Herzogtümer Baden und Gotha. 46 Teile dieses qualitätvollen Services befinden sich heute im Besitz der Stiftung – vor allem durch Schenkungen des Freundeskreises Kunstsammlungen Schloss Friedenstein e.V..
Zu den Besonderheiten der Sammlung gehören auch Porzellane im „etruskischen Geschmack“, die von berühmten antiken Vorbildern inspiriert sind, sowie ein exquisiter Porzellantisch, der 1851 auf der Weltausstellung in London gezeigt wurde.