Herzogliches Museum Gotha
Als das elegante Museum mit seinen modernen Oberlichtsälen im Jahr 1879 feierlich eröffnet und der interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, verfügte Gotha über einen der ersten musealen Zweckbau Deutschlands. Fast die gesamte historische Ausstattung hat sich bis heute erhalten. Mit der Eröffnung des Museums ging auch eine deutlich gestiegenes Interesse der Öffentlichkeit einher.
Heute präsentiert das Herzogliche Museum die herausragende Sammlung altdeutscher und niederländischer Malerei der Herzöge von Sachsen-Gotha-Altenburg sowie ostasiatischer Kunst, erlesene japanische Lackarbeiten, Specksteinfiguren, eine feine Keramiksammlung mit Renaissance-Majoliken, Böttgersteinzeug und Meißner Porzellan. In den beiden Säulenhallen des Erdgeschosses sind die herausragenden Skulpturen von Jean-Antoine Houdon sowie die jährlichen Hauptausstellungen der Stiftung zu sehen. Das Untergeschoss ist der Antike gewidmet und beherbergt die Ägyptische Sammlung
Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts waren die Bestände der ehemaligen herzoglichen Kunstkammer auf Schloss Friedenstein so stark angewachsen, dass eine zusammenhängende Präsentation im Schloss nicht mehr möglich war. Friedrich IV. ließ die Sammlungen nach seinem Regierungsantritt 1824 neu ordnen und machte sie mit der Gründung eines Museums der Öffentlichkeit zugänglich. Für die Besucher*innen waren die auf verschiedene Räume des Schlosses verteilten Sammlungen jedoch nur schwer zugänglich, so dass schon bald über einen Museumsneubau nachgedacht wurde.
1864 beauftragte Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha den Wiener Architekten Franz Neumann (1815-1888), der bereits seit längerem für das herzogliche Haus tätig war, mit der Planung und dem Bau des Herzoglichen Museums, das südlich von Schloss Friedenstein auf dem Gelände des ehemaligen herzoglichen Küchengartens entstehen sollte. Neumann errechnete für seine Planung eine Bausumme (ohne Inneneinrichtung) von 145.000 Talern bei einer Bauzeit von vier Jahren. Die Bauarbeiten begannen im Juni 1864.
Bereits wenige Jahre nach Baubeginn zeichnete sich eine Kostensteigerung ab. Unterhalb des Straßenniveaus stieß man auf Reste des Festungsmauerwerks. Dies erklärt auch die unterschiedlichen Bodenniveaus im Untergeschoss des Gebäudes. Als der Architekt 1870 eine weitere Kostenerhöhung bekannt gab – die Baukosten waren inzwischen von 145.000 auf 400.000 Taler gestiegen! – führte dies im November 1870 zur Einstellung der Bauarbeiten, da der Rest der Finanzierung nicht geklärt werden konnte. Nachdem sich der Architekt zu Abstrichen bereit erklärt hatte und der Herzog die Übernahme von rund 70 Prozent und der Landtag die restlichen 30 Prozent der fehlenden Mittel zugesagt hatten, wurden die Bauarbeiten im Mai 1875 wieder aufgenommen. Als sich die Bauarbeiten 1878 weiter verzögerten, wurde Neumann seines Amtes enthoben. Kurz darauf, am 17. April 1879, wurde das Museum feierlich eröffnet.
Franz von Neumann orientierte sich in seinen Plänen an bestehenden Museumsbauten aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, verwirklichte aber auch eigene Ideen. Das Gebäude ist symmetrisch angelegt mit einem überkuppelten Mittelbau, der innen wie außen das Zentrum bildet.
Bei der Fassadengestaltung orientierte sich Neumann an Entwürfen von Gottfried Semper (1803-1879) und am französischen Klassizismus. An der dem Schloss zugewandten Nordseite betont ein zweigeschossiger Säulenportikus mit dem herzoglichen Wappen den repräsentativen Haupteingang. Zwei sitzende Löwen, 1874 in einer Wiener Werkstatt entstanden, und allegorische Figuren der Kunst und Wissenschaft von Eduard Wolfgang (1825-1574) und Gustav Broßmann (1830-1897) begrüßen die Besucher*innen.
Auch das Innere des Museums ist aufwendig gestaltet. Beeindruckend ist das als Oktagon angelegte Vestibül im Erdgeschoss. Der Charakter des Raumes wird, wie in allen Räumen des Erdgeschosses, wesentlich durch das vielfarbige Steinmosaik aus italienischem Marmor geprägt. Sein achtstrahliges Bild mit dem Blumensymbol in der Mitte lenkt den Blick auf das Zentrum des Museums. Rechts und links davon befinden sich zwei großzügige, lichtdurchflutete Säulenhallen, die bei der Eröffnung die Vogel- und Säugetiersammlung beherrbergten.
Das repräsentative Treppenhaus vermittelt mit seinen großen Fenstern zum Park hin Weite und Offenheit. Wie der Eingangsbereich und die um das Obergeschoss gruppierten Räume weist es elegante Stuckarbeiten in farbiger Fassung auf.
Das Oktogon im ersten Stock ist der am reichsten ausgestattete Raum des Museums. Die Wände sind im klassizistischen Stil mit Stuckmarmor und teilweise vergoldetem Stuck verziert. Im Mittelpunkt steht die überlebensgroße Bronzestatue des Herzogs Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha von Christian Behrens (1852-1905). Im Zuge der Sanierung des Museums konnte die Statue 2013 auf einer Nachbildung des originalen Sockels zurückkehren.
Das neue Museum bot auf drei Etagen Platz für die Sammlungen des Kunsthandwerks (3.775 Objekte), der „Gemischten Kunst“ (2.215 Objekte), der Antike (3.204 Objekte) und der Grafik (ca. 50.000 Blatt) sowie in großem Umfang der Natur (42.212 Objekte). Allein diese beeindruckenden Zahlen geben Aufschluss über die Fülle an Objekten, die den Besucher*innen zugänglich gemacht wurde. Da das Herzogliche Museum über kein Depot verfügt, wurden alle Sammlungen in Schränken innerhalb der Ausstellung präsentiert bzw. magaziniert. Diese Schränke oder auch Tische waren dabei so konzipiert, dass die Besucher*innen durch verglaste Aufsätze und Türen die Objekte betrachten konnten.
Die großzügigen Oberlichtsäle im ersten Obergeschoss dienten der Präsentation der Gemälde. Die fortschrittliche Beleuchtung der Gemälde durch Oberlichter, die die Säle von schräg oben mit Tageslicht erhellten, entsprach den modernsten Gesichtspunkten des klassizistischen Museumsbaus.
Die Anordnung der Objekte aus Natur und Kunst, vor allem aber die Hängung der Gemälde galt den Zeitgenossen als vorbildlich.
Elga Böhm, Carl Andhoven (1842-1907). Der erste wissenschaftliche Direktor des Wallraf-Richartz-Museums Köln, in: Wallraf-RIchartz Jahrbuch XLIV, 1983, S.321.
Die repräsentative Präsentation im Herzoglichen Museum steigerte die öffentliche Wahrnehmung der Friedenstein’schen Sammlungen nachhaltig. Die Besucherzahlen nahmen bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges kontinuierlich zu, und mit durchschnittlich 11,5 % war darunter auch eine beachtliche Zahl ausländischer Besucher*innen. Der erste gedruckte „Katalog der Herzoglichen Gemäldegalerie im Herzoglichen Museum zu Gotha“ von Aldenhoven erschien 1890, setzte neue wissenschaftliche Maßstäbe und fand in Fachkreisen weite internationale Verbreitung.
Dieser internationale Ruf sollte den Kunstsammlungen nach dem Zweiten Weltkrieg jedoch zum Verhängnis werden.
In den Wirren nach 1945 wurde Gotha fast vollständig seiner Kunstschätze beraubt. Vor allem die Sowjetunion transportierte einen großen Teil als Entschädigung für die von der deutschen Wehrmacht auf sowjetischem Boden zerstörten und geraubten Kunstwerke.
Das Herzogliche Museum beherbergte nun nur noch die naturwissenschaftlichen Sammlungen. Es wurde 1954 als Biologisches Zentralmuseum wiedereröffnet und 1971 in Museum der Natur Gotha umbenannt. Diese Funktion behielt das Gebäude bis zum Jahr 2010.
Bereits 1958 gab die Sowjetunion einen großen Teil der Kunstsammlungen zurück. Diese wurden jedoch zunächst in Nebenräumen des Schlosses präsentiert oder eingelagert. Erst nach der Sanierung des Herzoglichen Museums zogen die Sammlungen 2013 wieder in das für sie errichtete Museum ein.