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Verluste durch die Sowjetische Armee

Nach Kriegsende 1945 wurden Kunstwerke aus Gotha von sowjetischen Truppen konfisziert und abtransportiert.

Entpacken der Kanne mit geometrischer Ornamentik (um 740-730 v. Chr.) im Gothaer Schlossmuseum 1958

Eine außerordentliche Kommission in Moskau plante, die Verluste der UdSSR durch den deutschen Kunstraub mit Kunstwerken aus Deutschland zu kompensieren, darunter bedeutende Werke aus Gotha. Die entsprechende Sondererlaubnis Nr. 24 zur „Konfiszierung von Museumsobjekten“, die auf dem Befehl Nr. 38 des Chefs der Verwaltungen der SMAD vom 25. Januar 1946 über die Sequestrationen in Thüringen fußte, besaß Major Alexejew.

Zu diesem Zweck besichtigte der sowjetische Oberleutnant Gorbunkow aus Moskau zusammen mit dem sowjetischen Ortskommandanten und Professor Boris Alexejew im Beisein des Museumsdirektors Schenk zu Schweinsberg das Jagdschloss Reinhardsbrunn am Fuße des Thüringer Waldes, wohin während des Krieges zahlreiche Sammlungsstücke ausgelagert worden waren. Wenig später wurde der Inhalt der dort deponierten Kisten und das Mobiliar als Beutegut mit Lastwagen abtransportiert. Anhand der Akten der sowjetischen Trophäenbrigaden und der Aufzeichnungen von Alexej Pychtin, einem Mitglied dieser Brigaden, konnten einige Stationen der Werke rekonstruiert werden. Demnach wurden die Kunstwerke 1946 von Gotha über Leipzig nach Moskau gebracht und in Museen wie dem Puschkin-Museum und der Eremitage in Leningrad (heute St. Petersburg) aufbewahrt.

Erst 1955, nach der Annäherung zwischen der Sowjetunion und der Deutschen Demokratischen Republik, fand eine Sonderausstellung der Dresdner Sammlung im Puschkin-Museum statt, bevor die Werke noch im selben Jahr an die DDR zurückgegeben wurden. Zwischen 1952 und 1957 wurden weitere deutsche Archivbestände und Kunstwerke nach Deutschland zurückgeführt. Die letzte große Rückgabe erfolgte 1958, als die sowjetische Regierung beschloss, die verbliebenen deutschen Kulturgüter an die DDR zurückzugeben und in Ausstellungen in Moskau und Leningrad (heute St. Petersburg) zu präsentieren. Einige Werke, darunter das Selbstbildnis mit Sonnenblume (nach Anthonis van Dyck), kehrten in diesem Zusammenhang zurück. Dennoch befinden sich heute noch etwa 50 Werke aus Gotha in russischen Sammlungen. Die genaue Anzahl dieser verlorenen Kunstwerke ist unklar, da viele Archivdokumente schwer lesbar oder verloren sind.

Beispielobjekte:

Diese Objekte stehen für eine Vielzahl von Verlusten. Einige von ihnen konnten für den Friedenstein zurückgewonnen werden und gehören zu den glücklichen „Rückkehrern“, denen im Jahr 2021 die große Ausstellung „Wieder zurück in Gotha. Die verlorenen Meisterwerke“ gewidmet war. Andere werden weiterhin als Verluste geführt.

Kanne mit geometrischer Ornamentik, um 740–730 v. Chr., Attisch, spätgeometrisch Heller, gelbbrauner Ton, H 71,5 cm, Friedentstein Stiftung Gotha, Inventarnummer: A Va 68

Die Kanne, ein spätes Beispiel des geometrischen Stils (ca. 740/730 v. Chr.), zeigt typische Dekorationsformen wie Zickzackbänder und Mäander. Sie wurde 1894 von Herzog Alfred von Sachsen-Coburg und Gotha (1844-1900) der griechisch-römischen Sammlung des Museums geschenkt. Seine Privatsammlung umfasste einst rund 320 Objekte, von denen sich heute noch 34 im Puschkin-Museum in Moskau befinden. Bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges im Herzoglichen Museum ausgestellt, wurde die Kanne – wie ein Großteil der Gothaer Sammlung – 1946 über Leipzig nach Moskau verbracht.
Das attische Gefäß kehrte jedoch 1958 über Ost-Berlin nach Gotha zurück und wurde am 11. November 1958 dem Schlossmuseum Gotha übergeben.

Provenienz:
1894 Schenkung an die Griechisch-Römische Sammlung durch Herzog Alfred von Sachsen-Coburg und Gotha.

Objektgeschichte:
Bis zur Schließung zu Beginn des Zweiten Weltkrieges im Herzoglichen Museum ausgestellt; im März 1946 über Leipzig nach Moskau verbracht. Rückkehr nach Gotha über Ost-Berlin 1958, Übergabe an das Schlossmuseum Gotha am 11. November 1958.

Zusammen mit den Beständen anderer Gothaer Kunstabteilungen wurden im März 1946 in größerem Umfang auch antike Objekte in die Sowjetunion verbracht, darunter antike Gefäße, Terrakotten, Bronzen, Gläser und Kleinplastiken. Ende der 1950er Jahre kehrten die meisten Antiken mit den Transporten aus der Sowjetunion nach Gotha zurück.

Das imposante Gefäß ist ein spätes Zeugnis des geometrischen Stils (ca. 900 bis 700/675 v. Chr.), der in der attischen Töpferkunst seinen vollkommensten Ausdruck fand. Die Kanne hat einen hohen, trichterförmigen Hals, einen eiförmigen Körper und einen steilen Henkel mit seitlichen Streben. Der Dekor besteht aus Zickzackbändern, Rhombenketten, Mäandern, Swastiken und Netzmustern, die zusammen mit horizontalen Bändern die Wandung schmücken. Diese spätgeometrischen Dekorationsformen weisen bereits Tendenzen zum sogenannten Flimmerstil auf, was eine Datierung um 740/730 v. Chr. in die spätgeometrische Zeit Ib bis spätgeometrische Zeit IIa unterstützt.

Als seltenes bildliches Zeitdokument hält ein Foto die Rückgabe der antiken Vasensammlung an das Schlossmuseum Gotha im November 1958 fest.

Die gemeinsame Entnahme der großen attischen Kanne aus dem Verpackungsmaterial durch Mitarbeiter des Gothaer Museums und Angehörige des DDR-Militärs steht exemplarisch für dieses denkwürdige historische Ereignis.

Das Gothaer Liebespaar, um 1480–1485, Meister des Amsterdamer Kabinetts (tätig 1465–1500), Öltempera mit Öllasuren auf Linden- und Pappelholz, H: 118 cm; B: 82,5 cm, Friedenstein Stiftung Gotha, Inventarnummer: SG 703

Das als Gothaer Liebespaar weltberühmt gewordene Meisterwerk zählt zu den bedeutendsten Gemälden nördlich der Alpen vor 1500. Trotz seiner Berühmtheit sind Herkunft und genauer Inhalt unklar. Das Gemälde zeigt ein Paar in inniger Umarmung, möglicherweise Teil eines höfischen Liebesbildprogramms. Vermutlich vor 1824 von Herzog Friedrich IV. von Sachsen-Gotha-Altenburg (1774-1825) erworben, wurde es 1854 in der Herzoglichen Gemäldegalerie Gotha verzeichnet und ab 1879 ausgestellt. Während des Krieges 1942 nach Schloss Reinhardsbrunn ausgelagert, gelangte es 1946 über Leipzig nach Moskau und kehrte 1959 in einer großen Rückgabeaktion über Ost-Berlin nach Gotha zurück.

Provenienz:
Vermutlich vor 1824 von Herzog Friedrich IV. von Sachsen-Gotha-Altenburg erworben.

Objektgeschichte:
Seit 1854 in der Herzoglichen Gemäldegalerie Gotha, Schloss Friedenstein nachweisbar; seit 1879 im Herzoglichen Museum ausgestellt; 1942 kriegsbedingte Auslagerung nach Reinhardsbrunn; im März 1946 vermutlich über Leipzig nach Moskau verbracht; im Oktober 1958 Rückgabe nach Ost-Berlin; im April 1959 Rückkehr nach Gotha.

Das als Gothaer Liebespaar in den Kanon der Kunstgeschichte eingegangene Meisterwerk zählt zu den bedeutendsten Werken der Malerei nördlich der Alpen vor 1500 und fehlt in kaum einer Überblicksdarstellung zur mittelalterlichen Kunst. So bekannt und vieldiskutiert das Gemälde auch ist, so umgibt es doch ein Schleier des Geheimnisvollen, denn sowohl die Herkunft als auch der Inhalt der Darstellung sind letztlich ungeklärt. Ungewöhnlich für die Gothaer Kunstsammlungen ist das späte Auftauchen des Gemäldes in den Inventaren. Erstmals 1854 wird es als „Unbekannter oberdeutscher Meister“ aufgeführt, eine spätere Anmerkung ergänzt, das Bild stamme „aus den 1824 zurückgestellten Bildern“. Damit führt die Spur zu Herzog Friedrich IV. von Sachsen-Gotha-Altenburg, der in diesem Jahr testamentarisch den Fortbestand der Kunstsammlungen verfügte. Das Gothaer Liebespaar, das für die Ausstellung in der Gemäldegalerie des Schlosses aus dem „Vorrat vom Boden“ geholt wurde, könnte durch ihn, der ein bedeutender Sammler und Kunstkenner war, in die Sammlung gelangt sein.
Die großformatige Holztafel präsentiert dem Betrachter ein Paar in liebevoller Umarmung, lebensgroß und halbfigurig hinter einer steinernen Balustrade vor dunklem Hintergrund. Ein goldener Reif, der symbolisch und vieldeutig über die als „Schnurlein“ bezeichneten Quasten eines Schals oder einer Mütze des jungen Mannes gestreift ist, die Rosen und vor allem die Spruchbänder über den Köpfen der Dargestellten unterstreichen das Thema Liebe und Verlobung. Neben der eindrucksvollen und spannenden Motivik – allein das Spiel der kunstvoll arrangierten Hände oder die herausragende künstlerische Qualität, etwa der Kleidung, lohnen eine eingehende Betrachtung – tragen auch der hervorragende Erhaltungszustand und die repräsentative Größe dazu bei, dem Doppelbildnis eine singuläre Stellung innerhalb der frühneuzeitlichen Malerei zuzuweisen.
Die kunstwissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Gemälde begann bereits im 19. Bis heute sind zahlreiche Interpretationen entstanden, die sich vor allem in der Einschätzung unterscheiden, ob es sich um ein Porträt mit identifizierbaren Personen oder um die allegorische Darstellung eines idealtypischen Paares handelt. Vergleicht man das Gemälde mit zeitgenössischen Porträts, so unterscheidet es sich von diesen sowohl in der Größe als auch in der idealisierten Darstellung der Dargestellten, insbesondere des jungen Mannes. Auch der nach innen gerichtete Blick der Frau widerspricht den zeitgenössischen Darstellungskonventionen. Das Wappenschild, das sich mittig über den Köpfen der Dargestellten befindet, diente sicherlich nicht der Identifikation. Am plausibelsten erscheint eine Verortung des Gemäldes im Themenkreis der höfischen Minne. Die ungewöhnlich repräsentative Darstellung könnte durch die ursprüngliche Funktion und den räumlichen Kontext erklärt werden, über den jedoch bislang nichts bekannt ist. So kann nur spekuliert werden, ob das Gothaer Liebespaar möglicherweise Teil eines größeren Bildprogramms mit weiteren Liebespaaren war, das etwa in einem Festsaal höfische Liebesideale zeigte. Ein wichtiger Bezugspunkt ist der Freskenzyklus im Heidelberger Schloss, der in formaler Hinsicht verschiedene Parallelen aufweist.
Für die Verlustgeschichte der Gothaer Sammlungen zeigt gerade die Rückgabe dieses berühmten Gemäldes aus der UdSSR 1958, dass die wertvollsten Objekte nicht zurückgehalten wurden, sondern zentraler Bestandteil der Rücktransporte waren. Es bleibt zu prüfen, ob nicht auch organisatorische Gründe, wie die Lagerung der Kunstwerke an verschiedenen Orten, dazu geführt haben, dass Teile der Sammlungen in Russland verblieben und letztlich bis heute nicht zurückgekehrt sind.

Die Heilige Familie mit Johannes, 1603 Joachim Anthonisz. Wtewael (1566–1638), Öl auf Kupfer, H 21 cm; B 15,7 cm, Friedenstein Stiftung Gotha, Inventarnummer: SG 1426, (Dauerleihgabe der Bundesrepublik Deutschland)

„Heilige Familie mit Johannes“ von Joachim Anthonisz. Wtewael (1566-1638) ist seit 1826 in der Herzoglichen Gemäldegalerie auf Schloss Friedenstein nachweisbar. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Gemälde 1946 von der Roten Armee in die UdSSR verbracht, gelangte später in die Privatsammlung von Itela Sunguza (Moskau) und 1988 durch Verkauf nach West-Berlin. Es folgte ein richtungsweisender Rechtsstreit um die Rückführung des Gemäldes und den Umgang mit deutscher Beutekunst, der 1998 vor dem High Court of Justice in London zugunsten der Stadt Gotha entschieden wurde. Seit Februar 1999 befindet sich das Gemälde als Dauerleihgabe der Bundesrepublik Deutschland in Gotha.

Provenienz:
ehemals Schloss Gräfentonna – unter Herzog August von Sachsen-Gotha-Altenburg in die Herzogliche Gemäldegalerie, Schloss Friedenstein verbracht und dort seit 1826 nachweisbar.

Objektgeschichte:
Seit 1879 im Bestand des Herzoglichen Museums Gotha; vermutlich 1946 von einem Offizier der Roten Armee aus der Sammlung entwendet und in die UdSSR verbracht; 1985 im Besitz von Itela Sunguza, Moskau; 1988 erworben von Mina Breslaw, West-Berlin, die das Gemälde über Sotheby’s, London, verkaufte; seit 1989 im Besitz der Firma Cobert Finance S.A., Panama, die das Gemälde ebenfalls bei Sotheby’s in London zum Verkauf anbot – am 3. September 1993 Klage der Stadt Gotha vor dem High Court of Justice in London mit Unterstützung des Freistaates Thüringen und der Bundesregierung auf Rückgabe; seit der Urteilsverkündung am 9. September 1998 Eigentum der Bundesrepublik Deutschland und seit dem 19. Februar 1999 als Dauerleihgabe in Gotha.

Rückführung mit Unterstützung der Bundesrepublik Deutschland und des Freistaats Thüringen.

Anfang 1999 überreichte Kulturstaatsminister Michael Naumann im Namen der Bundesregierung dem Oberbürgermeister der Stadt Gotha, Volker Doenitz, das kleine, auf Kupfer gemalte Gemälde Die Heilige Familie mit Johannes des niederländischen Künstlers Joachim Anthonisz. Wtewael. Dieser feierlichen Rückführung nach über fünf Jahrzehnten war ein sechsjähriger Rechtsstreit vor dem High Court of Justice in London vorausgegangen, der den Klägern und allen Beteiligten ein hohes Maß an Durchhaltevermögen und den Einsatz erheblicher finanzieller Mittel abverlangte.

Im Bewusstsein, dass dieser Rechtsstreit Vorbildcharakter für vergleichbare Fälle haben würde, wurde bewusst auf frühere Vergleichsangebote, die den Prozess um Jahre verkürzt hätten, verzichtet und der Prozess gegen die Firma Cobert Finance S.A. und Sotheby’s zu Ende geführt. Damit ging der Rechtsstreit als Präzedenzfall in die Justizgeschichte ein, denn mit der Entscheidung des High Court vom 9. September 1998 musste das Wtewael-Gemälde trotz Überschreitung der 30-jährigen Verjährungsfrist des deutschen Zivilrechts restituiert werden. Damit wurden, wie Michael Naumann in seiner Rede anlässlich der Rückführung des Gemäldes nach Gotha betonte, die Rechte der ursprünglichen Eigentümer nachhaltig gestärkt und der Handel mit sogenannter Beutekunst illegalisiert. Deutsche Beutekunst, die wie das Wtewael-Gemälde Anfang der 1990er Jahre vermehrt auf den internationalen Kunstmarkt gelangte, wurde damit gewissermaßen unverkäuflich.

Trotz umfangreicher Nachforschungen über den Verbleib des Gemäldes sowie Zeugen- und Sachverständigenaussagen im Verlauf des Rechtsstreits konnte der Verlust des Gemäldes und seine Objektgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg nur lückenhaft rekonstruiert werden. Die panamaische Firma Cobert Finance S.A., die das Gemälde am 1. April 1992 über Sotheby’s in London verkaufen wollte, hatte es selbst erst im März 1989 über das Auktionshaus von Mina Breslaw erworben. Diese war 1988 vermutlich über den Ingenieur Itela Sunguza in den Besitz des Gemäldes gelangt, nachdem es am 24. März 1987 von der West-Berliner Kriminalpolizei beschlagnahmt, aber wenige Tage später von der Staatsanwaltschaft wieder freigegeben worden war. Der Oberkustos des Museums Dahlem erkannte das Gemälde, als es der Kunsthändler Holger Martin – vermutlich im Auftrag von Itela Sunguza – der Gemäldegalerie zur Begutachtung übergab, und alarmierte die Polizei.

Wie das Wtewael-Gemälde in die Hände von Itela Sunguza gelangte, ist umstritten. Nach der Beweisführung der Beklagtenseite erwarb er es 1985 von Alexander Kozlenkov in Moskau, dessen Vater Adolf es 1945/46 als Oberst der sowjetischen Armee von einer deutschen Familie geschenkt bekommen haben soll. Nach den Beweismitteln der Klägerseite erwarb ein Deutscher das Gemälde von einem Offizier der sowjetischen Armee in Moskau. Eine Frau Dikeni, »Big Mamma« genannt, schmuggelte es dann nach West-Berlin, übergab es aber einem russischen Ikonenhändler, für den Sugunza arbeitete. Ein hoher sowjetischer Offizier soll das Gemälde demnach kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in die UdSSR gebracht haben, was auch von Historikern als wahrscheinlichste Variante angesehen wird. Eine Plünderung durch einen einfachen sowjetischen Soldaten sei hingegen trotz der geringen Größe des Gemäldes zweifelhaft, da dieser eine schwere Bestrafung oder den Tod riskiert hätte.

Die letzte schriftliche Erwähnung des Gemäldes findet sich 1943 im Herzoglichen Museum, wo es seit der Eröffnung 1879 gezeigt, aber wohl nicht immer bewundert wurde. So urteilte der damalige Direktor Carl Aldenhoven 1890 negativ: »Die übertriebenen und gezierten Bewegungen und die bunten Farben zeigen den Schüler der italienischen Manieristen ohne italienische Anmuth«.

Das Gemälde zeigt im Zentrum eine das Jesuskind stillende Maria, wobei das Kind in ihren Armen von zwei singenden Engeln und einem Harfenspieler auf der linken Seite abgelenkt wird. Rechts von Maria sitzt die Heilige Anna oder Elisabeth, die den nackten Johannesknaben mit dem Kreuzstab zu ihren Füßen umarmt. Dieser präsentiert Maria ein aufgeschlagenes Buch, in das sie vertieft ist, während sich über ihr der Himmel öffnet und mehrere Putten mit Blumen, einer Lilie, einem Lorbeerkranz und einem Früchtekorb herabschweben. Am rechten Bildrand begrenzt der sich auf einer Mauer abstützende Joseph die Szene. Als Zimmermann hält er in der linken Hand eine Säge, als hätte er gerade den Dachstuhl über sich errichtet.
Hinter ihm ist ein älterer hölzerner Stall zu sehen, der auf die Geburtsstätte Jesu hinweist. Eine Steinbrücke und mehrere antike Gebäude, die von Pflanzen überwuchert zu sein scheinen, gliedern die Szene. Im Vordergrund zeugt eine zerbrochene korinthische Säule von einem bereits eingestürzten tempelartigen Bauwerk. Diese antiken Architekturelemente, die im italienischen Barock in diesem Darstellungszusammenhang immer wieder auftauchen, dienen nicht der bloßen Ausschmückung des Bildraumes, sondern können als Hinweis auf die allmähliche Ablösung der antiken Kultur mit ihrem mythologischen Glauben durch das Wirken der Heiligen Familie und das sich daraus entwickelnde Christentum gelesen werden.

Leuchter [Flambeaux de Toilette], spätes 17. Jahrhundert, Werkstatt oder Umkreis des César Bagard (1c20–1d0d), H 15,5 cm; Dm Fuß 10,5 cm, Friedentstein Stiftung Gotha, Inventarnummer: K 979 und K 981

Vermutlich unter Herzog August von Sachsen-Gotha-Altenburg (1773-1822) für das Kunstkabinett auf dem Friedenstein erworben, befinden sich die beiden Leuchter seit 1879 im Herzoglichen Museum Gotha. Beide sind typisch für die Werkstatt des Franzosen Cesar Bagard (1620-1707). 1945 von der Sowjetischen Militäradministration als „Beutekunst“ in die UdSSR verbracht, kehrten beide im November 1958 nach Gotha zurück und tragen seitdem russische Registriernummern.

Provenienz:
Vermutlich unter Herzog August von Sachsen-Gotha-Altenburg für die Friedenstein’sche Kunstkammer erworben.

Objektgeschichte:
Seit 1879 im Bestand des Herzoglichen Museums Gotha. 1945 von der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) beschlagnahmt und als „Beutekunst“ in die UdSSR verbracht. Rückkehr in das Schlossmuseum Gotha im November 1958.

„Es gab in den 35 Jahren meiner Tätigkeit im Schlossmuseum kein freudigeres Erlebnis für mich, als die Wiedereröffnung der Kunstsammlungen mit den herrlichen Kunstschätzen, die ich mit Schmerzen fortgehen sah. […] Meine anfängliche Bitterkeit, die aus dem Abtransport der Werke europäischer Meister und Kunstgegenstände durch sowjetische Truppen zu erklären war, schlug in Freude um, als ich erfuhr, dass durch diese Freundschaftstat der Sowjetunion diese Werke für Gotha erhalten bleiben.“ – zitierte die Tageszeitung Das Volk in ihrer Ausgabe Nr. 269 vom 18. November 1958 den damaligen Magazinmeister des Gothaer Schlossmuseums, Josef Kaltwasser.
Unter den im November 1958 und Frühjahr 1959 nach Gotha zurückgekehrten Museumsobjekten befanden sich auch die beiden Leuchter. Ihre erstmalige Erwähnung im Verzeichnis der bei der Übergabe 1830 im Kunstkabinett befindlichen Objekte lässt vermuten, dass sie unter Herzog August von Sachsen-Gotha-Altenburg für die Friedensteinischen Sammlungen erworben wurden.

Die feinen Reliefschnitzereien mit Blumenranken auf den Tüllen, die gedrechselten Schäfte sowie die Gestaltung der achteckigen Füße sind typisch für Leuchter und andere kunsthandwerkliche Arbeiten aus der Werkstatt des lothringischen Hofbildhauers Cesar Bagard. Auf den Unterseiten der Fußplatten haben sich neben den historischen Inventaretiketten des Herzoglichen Museums auch die handschriftlichen russischen Registriernummern erhalten. Letztere sind zusätzlich auf den kleinen Papierschildern vermerkt, die von den Mitarbeitern der sowjetischen Trophäenkommissionen mit Schnüren an den gedrechselten Schäften befestigt wurden.