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Das Chinesische Kabinett

‘… the Chinese cabinet, unequalled in Germany, perhaps in Europe’ The Gentleman’s Magazine and Chronicle, London, 1822

China, Qing-Dynastie, Kangxi-Ära, um 1700, Porzellan, Aufglasurfarben, Gold, Kaltbemalung, Vergoldung, H: 108 cm, Provenienz: Vermutlich Sammlung Herzog AUgusts von Sachsen-Gotha-Altenburg

Das Sammeln ostasiatischer Kostbarkeiten hatte in der herzoglichen Familie von Sachsen-Gotha-Altenburg – wie in vielen anderen herzoglichen Häusern – Tradition, ging aber zunächst nicht über das allgemein Übliche hinaus. Die sogenannten „Exotica“ entsprachen dem Anspruch der Kunstkammer, die Welt im Kleinen darzustellen.

Buddhistische Nonne auf separatem Sockel, China, Qing-Zeit (1644–1911), 2. Hälfte 17. Jahrhundert, H: 51 cm, Rot-grau marmoriert und milchigweißer Steatit, partielle Bemalung, Reste von Vergoldung

Specksteinschnitzereien sind in China bereits in der Han-Zeit (206 v. Chr. – 220 n. Chr.) und in der Tang-Zeit (618-906) belegt, waren aber vor allem während der Ming- (1368-1644) und der Qing-Zeit (1644-1911) sehr beliebt. Speckstein weist eine große Ähnlichkeit mit der in China hochgeschätzten Jade (Nephrit) auf, aber die Specksteinschnitzerei ahmte nicht nur die Jade nach, sondern stellte eine eigenständige Kunstform dar, ähnlich der Bambus-, Horn-, Elfenbein- oder Edelsteinschnitzerei. Die Zentren der Herstellung lagen seit dem 16. Jahrhundert in China, vor allem in Shoushan und Qingtan in Südchina.

Ursprünglich wurden Specksteinarbeiten für die Schreibstuben der Gelehrten, aber auch für Hausaltäre hergestellt. Die künstlerische Qualität der Schnitzereien ist sehr unterschiedlich. Es finden sich Figuren aus dem buddhistischen oder taoistischen Pantheon ebenso wie nichtreligiöse Landschaftsszenen, Tier- und Menschengestalten oder verschiedene Gefäßformen.

Von besonderem Reiz sind die durch die Begleitmineralien hervorgerufenen Färbungen des Steins, die weiß, violett, rosa, grün, grau, schwarz, braun oder blau sein können oder zu mehrfachen Marmorierungen führen. In der Gothaer Sammlung finden sich an einigen Objekten auch Reste von Bemalungen. Besonders fein gearbeitete Exemplare wie diese buddhistische Nonne zeigen in den zarten Reliefschnitzereien auch Reste einer Vergoldung.

Bereits in der Kunstkammer Kaiser Rudolfs II. (1552-1612) in Prag sind chinesische Arbeiten aus Speckstein nachweisbar. Ihre Blütezeit erlebten Specksteinsammlungen aber vor allem im späten 17. und 18. Jahrhundert Von besonderem Reiz sind die durch die Begleitmineralien hervorgerufenen Färbungen des Steins, die weiß, violett, rosa, grün, grau, schwarz, braun oder blau sein können oder zu mehrfachen Marmorierungen führen. In der Gothaer Sammlung finden sich an einigen Objekten auch Reste von Bemalungen. Besonders fein gearbeitete Exemplare wie diese buddhistische Nonne zeigen in den zarten Reliefschnitzereien auch Reste einer Vergoldung.

Die buddhistische Nonne steht auf einem Felssockel, in ihrer Linken hält sie eine Schriftrolle. Über den Schuhen trägt sie eine weite Hose, darüber ein Untergewand und ein locker gegürtetes Obergewand. Die Gewänder sind reich graviert und detailliert ausgearbeitet. Der kahlgeschorene Kopf der Nonne blickt gütig lächelnd nach unten.

Bereits im 17. Jahrhundert erwarb Herzog Ernst I. ostasiatische Bücher, sogenannte „Götzenbilder“, Gemälde, Schreibgeräte und in Formen gepresste Tuschearbeiten für die Kunstkammer. Sein Enkel Friedrich II. erweiterte die Sammlung um 140 chinesische Specksteinfiguren sowie japanisches und chinesisches Porzellan. Dessen Schwiegertochter, Herzogin Luise Dorothea, hatte eine Leidenschaft für Porzellan und hinterließ nach ihrem Tod rund 1.300 Porzellane, zum Teil aus Ostasien, japanische Lackarbeiten und chinesische Specksteinfiguren. Diese Sammeltätigkeit entsprach dem höfischen Repräsentationsverhalten der Zeit und war im Vergleich zu anderen Höfen nicht besonders glanzvoll.

Dies änderte sich grundlegend, als Herzog August 1804 die Regierung übernahm. Mit ihm und seinen Nachfolgern im 19. Jahrhundert erhielt die Gothaer Sammlung ostasiatischer Objekte ihren europäischen Rang.


„Sie werden sich wundern, wenn nämlich dieses Gefühl sich mittheilt, wie ich, der soviel Schönes sah und soviel seltene Schätze besitze, über Ihre prächtigen goachen erstaunte und stumm in mich hinein jubelnd an diesen Zauberwerken asiatischer Kunst mich nicht satt sehen konnte und noch nicht kann, mein guter, mir so viele Freude verursacht habender, nimmer müder, Landsmann und Freund.“
Herzog August von Sachsen-Gotha-Altenburg

Herzog Augusts Interesse an Ostasiatica ging weit über die übliche Faszination für das Exotische hinaus. Er beschäftigte sich intensiv mit der chinesischen Sprache und Kultur. Vermutlich um 1801 richtete er im dritten Obergeschoss des Westturms von Schloss Friedenstein ein Chinesisches Kabinett ein. Dazu ließ er die in der Kunstkammer, in anderen Räumen des Schlosses Friedenstein sowie in den herzoglichen Jagd- und Lustschlössern befindlichen Ostasiatica zusammenführen und erstmals gemeinsam ausstellen. Bis zu seinem Lebensende erweiterte August die Sammlungen nochmals beträchtlich, so dass sie bei seinem Tod 1822 auf 2232 Objekte angewachsen waren, die in sieben Räumen des Westturms präsentiert wurden. Ein ausgewähltes Publikum konnte das Kabinett besichtigen, das einen hervorragenden Ruf genoss. Das Chinesische Kabinett in Gotha war zu seiner Zeit die bedeutendste Sammlung ostasiatischer Objekte in Kontinentaleuropa und nahm in seiner innovativen Präsentation den Museumsgedanken vorweg.

Drachenrobe, China, Qing-Dynastie, um 1800, Oberstoff: feine Schlitzwirkerei; Kette: feine weiße Seide; Schuss: farbige Seide ohne erkennbare Drehung, bestickt, farbige Seide, Goldlahnfäden, Goldbrokat, Kugelknöpfe feuervergoldet; Futterstoff: Seidengewebe, L: 135 cm, B: 218 cm, W: 126 cm, Provenienz: Sammlung Herzog Augusts von Sachsen-Gotha-Altenburg
DE-MUS-871347

Dieses kostbare Seidengewand stammt aus der Sammlung Herzog Augusts und war Teil des Chinesischen Kabinetts. Es stammt aus der Qing-Dynastie um 1800, war also praktisch neu, als Herzog August es erwarb. Das Gewand ist heute im Originalzustand erhalten.

Die bodenlange Robe ist aufwendig mit farbigen Seidengarnen bestickt, sie schließt rechts halb überlappend mit vier feuervergoldeten Kugelknöpfen. Ein Schrägband aus Goldbrokat akzentuiert die Einfassungen des Halsausschnitts und an der Manschetten. Das Gewand ist vorne und hinten geschlitzt, was darauf hinweist, dass es für einen Mann bestimmt war. Die Gewänder für Frauen waren an den Seiten geschlitzt. Im unteren Teil sind mehrfarbige, schräg verlaufende Bänder unterschiedlicher Breite zu sehen. Darüber verläuft quer ein Wellen- und Gischtband. In der Mitte dieses Bandes sowie rechts und links an den Enden erheben sich prismenförmige Objekte aus den Wellen. Die schräg verlaufenden Bänder symbolisieren die Unterwasserwelt. Sie wurden Mitte des 18. Jahrhunderts eingeführt. Die Wellen und die Gischt stellen das Meer dar. Das prismenförmige Objekt, das aus dem Wasser ragt, ist ein stilisierter Berg und symbolisiert die Erde. Der Teil der Robe mit Drachen und Wolken symbolisiert die Luft. Diese Dreiteilung stellt den Kosmos im Kleinen dar. Erst mit dem Anlegen des Gewandes ist diese Symbolik vollständig, da der Träger als Weltachse fungiert.

Ein solches Gewand war Teil der offiziellen Kleidung, die sowohl von Mitgliedern des kaiserlichen Hofes als auch von zivilen und militärischen Beamten und deren Familien getragen wurde. Sie wurden in den kaiserlichen Werkstätten hergestellt.



Neu an dem durch Herzog August begründeten Chinesischen Kabinett war, dass man sich nicht nur an der Exotik der Exponate, an ihrem Formen- und Farbenreichtum erfreute, sondern dass dem Museum ein ethnographisches Interesse zugrunde lag. Neben aufwendig gearbeiteten Luxusobjekten wurden bildliche Darstellungen chinesischer Alltagsszenen, Möbel, Kleider und Textilien bis hin zu japanischen Tuschfarben und chinesischen Teesorten nicht nur dekorativ arrangiert, sondern in den einzelnen Räumen thematisch gruppiert. Damit kann das Kabinett als eines der ersten ethnographischen Museen Europas bezeichnet werden. 1842 wurde eine gedruckte Besucherordnung herausgegeben, nach der das Kabinett „gegen Erlegung eines Eintrittsgeldes“ täglich zugänglich war, dienstags zwischen 9 und 13 Uhr sogar unentgeltlich.