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Gothaer Verluste

Spannende Verlustlinien und glückliche Rückkehrer

Dr. Vera Ruthenberg, Leiterin der Ausstellung, Dr. Grohn, Kustos der Gemäldegalerie, und Dr. Gronau, Restaurator der Nationalgalerie, beim Auspacken der zurückgekehrten Kunstschätze aus der Sowjetunion – 30.09.58

Die Gothaer Kunstsammlungen haben in ihrer Geschichte unvorstellbare Verluste erlitten und es wird wohl nie mehr möglich sein, alle einst hier versammelten Objekte zurückzuerhalten. Dennoch arbeitet die Friedenstein Stiftung Gotha unermüdlich an der Aufarbeitung ihrer Verlustlinien und immer wieder gelingen erstaunliche Rückführungen.

Gothaer Verlustlinien

Die Gothaer Sammlungen nehmen hinsichtlich ihrer Größe und Vielfalt eine Sonderstellung im mitteldeutschen Raum ein, gehören aber gleichzeitig zu den am stärksten von Verlusten betroffenen Museen in Deutschland.

Seit Anfang der 1990er Jahre werden die umfangreichen Abgänge systematisch erforscht und dokumentiert, erste Ergebnisse sind in den gedruckten Verlustkatalogen zum Kunsthandwerk (1997) und zur Gemäldesammlung (2011) veröffentlicht und über die Datenbank Lost Art des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste und das Art Loss Register online recherchierbar.

Die Fortführung und Intensivierung der Provenienzforschung ist ein zentrales Teilprojekt von Gotha transdigital mit dem Ziel, die verschiedenen Verlustlinien darzustellen. Als Ergebnis dieser Arbeit soll ab 2024 eine digitale Übersicht online gehen, die neben der Skizzierung der wesentlichen Ereignisse die verschiedenen Verlustobjekte und Quellen in einen nachvollziehbaren Zusammenhang bringen wird.

Verlustlinie „unerlaubte Entnahme“

Beispielobjekte:

Meister E.S.
Verkündigung
Um 1450
Kupferstich
15,3×11,5 cm (bei Lehrs 11,3 cm)

Provenienz
Herzogliche Sammlungen zu Gotha, erstmals 1854 erwähnt
Um 1948 unerlaubte Entnahme
Bis 1953 Privatsammlung Deutschland
Bis 1956 Privatsammlung Schweiz
Bis 1991 Richard H. Zinser (ab 1984 Erben), Stuttgart und Forest Hills, NY
Seit 1991 Privatsammlung Schweiz

Auktion/Literatur

Max Lehrs, II. Textband, Meister ES, Nr. 12
Kornfeld 283/2024, Los 2037

Ausstellung
Prints 1400-1800. A Loan Exhibition from Museums and Private Collections, Ausst.-Kat. The Minneapolis Institute of Arts, The Cleveland Museum of Art, The Art Institute, November 1956 bis März 1957, Minneapolis 1956, Kat. Nr. 13

Katalogisierung in Gotha
Catalog der Ältesten Deutschen Meister 15.-16. Jh., Abth. I, Bd. 1, um 1854, Inventar 35 (= „Alter Katalog“), fol. 28, Nr. 5: „Unbekannte Meister des 15. Jh.“ als „Der englische Gruß“

Julius Niedmann, Deutsche Meister vom 15ten Jahrhundert an, Bd. 1, 1858, Inventar 15 (= „Alphabetischer Katalog“), fol. 27, Nr. 5: „Unbekannte Meister des 15. Jh.“ als „Der englische Gruß“

Karl Purgold, Lose Katalogblättersammlung, „Kupferstiche“, Nr. 25: „Meister der Sibylle“ als „Verkündigung Mariae“ mit Verweis auf Passavant und Alten Katalog sowie der Bemerkung: „Sehr guter Abdr., verschnitten | 1 Wurmloch in der Brust des Engels“

Durch die Erwähnung des Wurmlochs ist die Provenienz des Blattes in Gotha gesichert, wo es bereits Passavant 1860, Bd. II, S. 75 (als Meister der Sibylle) und nachfolgend Lehrs, Repertorium für Kunstwissenschaft 17, 1894, S. 186 (als Meister E.S.) und in Geschichte und kritischer Katalog des deutschen, niederländischen und französischen Kupferstichs im XV. Jahrhundert (2, Textbd.): [Meister E.S.], 1910, S. 58f., beschrieben.

Die Verkaufsakten bis 1945 geben keinen Hinweis auf einen Veräußerungswunsch des Blattes.

Meister E.S. Verkündigung Um 1450 Kupferstich 15,3×11,5 cm (bei Lehrs 11,3 cm) Vergleichsobjekt
© Kupferstich-Kabinett, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Andreas Diesend
Brustbild Herzog Christoph von Württemberg und Teck Hans Brosamer (zugeschr.) Augsburg: Hans Hofer Um 1550 Kolorierter Holzschnitt mit Typendruck

Brustbild Herzog Christoph von Württemberg und Teck
Hans Brosamer (zugeschr.)
Augsburg: Hans Hofer
Um 1550
Kolorierter Holzschnitt mit Typendruck
Alte Inv.-Nr.: Xyl.I.117

Provenienz
Herzogliche Sammlungen zu Gotha, Xylographica-Bände erstmals 1806 in der Literatur erwähnt
Um 1948 unerlaubte Entnahme
Bis 1953 Privatsammlung Deutschland
1953 Einlieferung in das Auktionshaus Klipstein & Co., vormals Gutekunst und Klipstein
Ab 1955 Privatsammlung Schweiz

Auktion/Literatur
Ludwig Achim von Arnim, „Steinregen“, in: Annalen der Physik, 1806, Bd. 22, H. 3, S. 331 (Erwähnung der Xylographica-Bände, in die das Blatt eingebunden war)
Klipstein & Co., vorm. Gutekunst & Klipstein 78/1955, Los 169, Taf. 36
Geisberg/Strauss 1974, Bd. I, S. 390
Kornfeld 283/2024, Los 2033

Katalogisierung in Gotha
Karl Purgold, Xylographica, Bd. I. Bildnisse und Kriegsvolk, Inventar 21, um 1900, Nr. 117: Aufgeführt als „Porträt, Brustbild, Herzog Christoph von Würtemberg“ mit Beschriftung „Von Gottes gnaden Christoff Hertzog zu Wirtemberg etc.“; Adresse und Druckort: „Hans Hofer Briefmaler, Augsburg“

Das Blatt gilt als Unikum.

Die Verkaufsakten bis 1945 geben keinen Hinweis auf einen Veräußerungswunsch des Blattes.

Brustbild Leonore Königin von Frankreich
Erhard Schön (zugeschr.)
Nürnberg: Hans Guldenmund
Um 1530 – 1542
Kolorierter Holzschnitt mit Typendruck
Alte Inv.-Nr.: Xyl.I.206

Provenienz
Herzogliche Sammlungen zu Gotha, Xylographica-Bände erstmals 1806 in der Literatur erwähnt
Um 1948 unerlaubte Entnahme
Bis 1953 Privatsammlung Deutschland
1953 Einlieferung in das Auktionshaus Klipstein & Co., vormals Gutekunst und Klipstein
Ab 1955 Privatsammlung Schweiz

Auktion/Literatur
Ludwig Achim von Arnim, „Steinregen“, in: Annalen der Physik, 1806, Bd. 22, H. 3, S. 331 (Erwähnung der Xylographica-Bände, in die das Blatt eingebunden war)
Klipstein & Kornfeld vorm. Gutekunst & Klipstein 91/1958, Nr. 311, Taf. 24
Geisberg/Strauss 1974, Bd. IV, S. 1245
Kornfeld 283/2024, Los 2034

Katalogisierung in Gotha
Karl Purgold, Xylographica, Bd. I. Bildnisse und Kriegsvolk, Inventar 21, um 1900, Nr. 206: Aufgeführt als „Portrait (Brustbild) Leonore Königin von Frankreich“ mit Beschriftung „Von Gottes genaden Leonora Künigin zu Frankreich“; Adresse und Druckort: „Hans Guldenmundt, Nürnberg“

Die Verkaufsakten bis 1945 geben keinen Hinweis auf einen Veräußerungswunsch des Blattes.

Brustbild Leonore Königin von Frankreich Erhard Schön (zugeschr.) Nürnberg: Hans Guldenmund Um 1530 – 1542 Kolorierter Holzschnitt mit Typendruck
Joachim, Markgraf von Brandenburg Niklas Stör (zugeschr.) Nürnberg: Hans Guldenmund Um 1535 – 1560 Kolorierter Holzschnitt mit Typendruck

Joachim, Markgraf von Brandenburg
Niklas Stör (zugeschr.)
Nürnberg: Hans Guldenmund
Um 1535 – 1560
Kolorierter Holzschnitt mit Typendruck
Alte Inv.-Nr.: Xyl.I.139

Provenienz
Herzogliche Sammlungen zu Gotha, Xylographica-Bände erstmals 1806 in der Literatur erwähnt
Um 1948 unerlaubte Entnahme
Bis 1953 Privatsammlung Deutschland
1953 Einlieferung in das Auktionshaus Klipstein & Co., vormals Gutekunst und Klipstein
Ab 1955 Privatsammlung Schweiz

Auktion/Literatur
Ludwig Achim von Arnim, „Steinregen“, in: Annalen der Physik, 1806, Bd. 22, H. 3, S. 331 (Erwähnung der Xylographica-Bände, in die das Blatt eingebunden war)
Röttinger, Stör, 1925, Nr. 56
Klipstein & Kornfeld vorm. Gutekunst & Klipstein 91/1958, Nr. 304, Taf. 21
Galerie Kornfeld 2003, Los 29
Geisberg/Strauss 1974, Bd. IV, S. 1353
Kornfeld 283/2024, Los 2036

Katalogisierung in Gotha
Karl Purgold, Xylographica, Bd. I. Bildnisse und Kriegsvolk, Inventar 21, um 1900, Nr. 139: Aufgeführt als „[Ritter im Harnisch mit Barett, Joachim Markgraf z. Brandenburg], rechts Wappen“ mit Beschriftung „Von Gottes gnaden Joachim Marggraff zu Brandenburg etc.“; Adresse und Druckort: „Hans Guldenmundt, Nürnberg“

Vermutlich handelt es sich bei dem Dargestellten um Joachim Hektor II., Kurfürst und Markgraf von Brandenburg ab 1535.

Der Druck nur noch ein weiteres Mal bekannt, allerdings in s/w.

Die Verkaufsakten bis 1945 geben keinen Hinweis auf einen Veräußerungswunsch des Blattes.

Standbild Ludwig Pfalzgraf von Rhein, Herzog und Kurfürst von Nieder- und Oberbayern
Michael Ostendorfer (zugeschr.)
Nürnberg: Hans Guldenmund
1544
Kolorierter Holzschnitt mit Typendruck
Alte Inv.-Nr.: Xyl.I.127

Provenienz
Herzogliche Sammlungen zu Gotha, Xylographica-Bände erstmals 1806 in der Literatur erwähnt
Um 1948 unerlaubte Entnahme
Bis 1953 Privatsammlung Deutschland
1953 Einlieferung in das Auktionshaus Klipstein & Co., vormals Gutekunst und Klipstein
Ab 1955 Privatsammlung Schweiz

Auktion/Literatur
Gutekunst 85/1957, Nr. 219, Taf. 22
Geisberg/Strauss 1974, Bd. IV, S. 1353

Katalogisierung in Gotha

Karl Purgold, Xylographica, Bd. I. Bildnisse und Kriegsvolk, Inventar 21, um 1900, Nr. 127: Aufgeführt als „1544. Ganze Figur Ludwig Pfalzgraf von Rhein und Churfurst von Nieder und Ober[…]“ mit Beschriftung „Von Gottes gnaden Ludowicus, Pfaltzgraffe beym Rhein, Hertzog u. Churfurst“; Adresse und Druckort: „Hans Guldenmundt, Nürnberg“

Die Verkaufsakten bis 1945 geben keinen Hinweis auf einen Veräußerungswunsch des Blattes.

Standbild Ludwig Pfalzgraf von Rhein, Herzog und Kurfürst von Nieder- und Oberbayern Nürnberg: Hans Guldenmund 1544 Kolorierter Holzschnitt mit Typendruck